II.4. Stars und MeisterInhaltsverzeichniswww.bleyenberg.deIII.1. Das Geheimnis des Erfolges

II. DAS PHÄNOMEN
5. "Kultisten" - Die Fans 

Im vorherigen Abschnitt wurde anhand einiger Beispiele von Filmen und Genres erklärt, warum diese einen Kult auslösen konnten, während ähnliche und vielleicht sogar weitaus aufwendiger hergestellte Produkte in der cineastischen Versenkung verschwanden. Technische und optische Perfektion sowie eine durchkalkulierte Handlung können zwar eine fundierte Basis für einen erfolgreichen Film sein, doch insgeheim wünscht sich wohl jeder Regisseur oder Schauspieler, sich mit seiner Arbeit im Gedächtnis der Geschichte zu verewigen. Für dieses Vorhaben braucht man eine treue Fangemeinde, die den Status des Kultes über Jahre hinweg verteidigt und den Film somit am Leben erhält. Bei „Casablanca“ geschieht dies seit nunmehr einem halben Jahrhundert. Und egal, was für Film- und Projektionstechniken es in Zukunft auch geben wird, dieser Film ist für immer mit der Kultur-Historie eng verknüpft.

Die Bezeichnung Fan ist aus dem englischen Wort fanatic heraus entstanden. Als Fanatiker bezeichnete man zunächst Anhänger einer religiösen Gemeinschaft, die ihre Dogmen überdurchschnittlich intensiv auslebten und gegen Andersdenkende in jeder Form verteidigten. Im Zusammenhang mit den gegenwärtigen Konflikten im nahen Osten erfreut sich dieser Begriff äußerster Beliebtheit, weswegen eine Verbindung mit dem Fan heutzutage lediglich in der linguistischen Entstehungsgeschichte besteht, obwohl auch in ihm zuweilen einige negative Töne mitschwingen, auf die im Folgenden noch des öfteren eingegangen wird. (vgl. Winter 1995: 128)

Der Durchschnittsbürger - dieser Ausdruck sei hier im Vergleich zu den Vertretern der Hochkultur ausnahmsweise erlaubt - und vor allem die Fans haben mit ihrem Interesse an vermeintlichen Mainstream-Gütern zur Bildung einer Populärkultur beigetragen. Rainer Winter beruft sich hierbei auf die Definitionen von Michel de Certeau. Demzufolge existiert in jeder fortgeschrittenen Industriegesellschaft ein großes Angebot an verschiedenen Kulturgütern, die sich am Geschmack der breiten Masse orientiert  – oder es zumindest versucht – und von der sich die Hochkultur seit Jahrzehnten distanziert. Bei einer soziologischen Betrachtung sind auch hier wieder die Reaktionen des Publikums von größerem Interesse als das eigentliche Produkt.

„Die Verbraucher können die Produktion von Kulturwaren nicht kontrollieren, auch nicht das wirtschaftliche System ändern, allerdings Umgangsweisen mit den vorgegebenen Produkten entwickeln, die von der herrschenden ökonomischen Ordnung bzw. der Kulturindustrie nicht vorgesehen waren.“ (Winter 1995: 119)
Das alltägliche Kulturangebot wird demnach nicht direkt von den Rezipienten bestimmt, zumindest nicht die Herstellung, durch geringe Einschaltquoten wird eine Fernsehserie in der Regel jedoch recht zeitig eingestellt. Auch dies zeigt erneut, wie spontan die Art und Weise ist, mit der das Publikum auf ein Kulturgut reagiert, zumal man davon ausgehen kann, dass die auf finanziellen Erfolg ausgerichteten Privatsender und Filmstudios es auf diesen Faktor hin überprüfen (obwohl man als Zuschauer dies zuweilen arg bezweifelt). In den seltensten Fällen verhält sich jedoch das Publikum vorhersehbar. Selbst durch das Bildungsniveau kann nicht im Vorfeld bestimmt werden, ob ein Kulturgut die bestimmte Zielgruppe anspricht. (vgl. Winter 1995: 122)

Letztlich reagiert jeder Konsument dennoch auf ein Produkt – selbst wenn er es weit von sich weist. In den meisten Fällen beschränkt sich die Reaktion auf das einfache Konsumieren: Man geht ins Kino, amüsiert sich (oder auch nicht) und geht wieder nach Hause. Anhand der zuvor genannten Beispiele konnte man erkennen, dass es einem sehr geringen Prozentsatz*1  von Filmen gelingt, eine Gruppe von Zuschauern nachhaltig zu bewegen, so dass diese ihre Alltagspraxis aktiv ändern und in irgendeiner Weise produktiv werden. Dies bedeutet jedoch nicht ausschließlich, dass als Ergebnis dieser Aktivität ein handfestes Produkt herauskommen muss. Alleine die Aneignung von Wissen, zum Beispiel wie der Film entstand, genügt, um sich von den gewöhnlichen Konsumenten zu unterscheiden: man wird zum Fan. In diesem Zusammenhang ist es unerlässlich darauf hinzuweisen, dass jene Produktivität ausschließlich von den Fans ausgeht und nicht etwa von der Filmindustrie initiiert werden kann. (vgl. Winter 1995: 125) Letzterer bleibt lediglich die Möglichkeit, auf jenes Zuschauerverhalten wiederum zu reagieren, indem es zum Beispiel das sogenannte Merchandising betreibt. Durch die Herstellung von Fanartikeln wird versucht, neben dem Film zusätzliche Einnahmen zu tätigen. Bei Filmen wie „Jurassic Park“ oder „Star Wars“ wurde das Merchandising von vornherein in die finanzielle Planung eingefügt und übertraf letztlich die eigentlichen Einspielergebnisse des Films bei weitem. Bei Kinofilmen ist es jedoch so gut wie unmöglich, im Nachhinein die Begeisterung der Fans finanziell zu nutzen, da ein spezieller Kultfilm in der Regel ein einmaliges Ereignis ist, während die Produzenten von Fernsehserien die Möglichkeit haben, in deren Verlauf die Rahmenhandlungen auf etwaige Wünsche der Fans abzustimmen und auf einen eventuellen Publikumserfolg dementsprechend zu reagieren. Bei Kultfilmen bliebe lediglich die Produktion einer Fortsetzung, was jedoch äußerst selten geschieht.
Bleibt also festzuhalten, dass die Reaktionen der Konsumenten kaum vorherzusehen sind - und noch weniger das Verhalten der Fans. Was einen Fan letztlich ausmacht, kann ebenfalls nicht verallgemeinert werden. Rainer Winter unterscheidet daher zwischen vier verschiedenen Typen von Fans:

Der Novize ist erst vor kurzem auf die Materie gestoßen. Seine Kenntnisse sind marginal und unsystematisiert. (vgl. Winter 1995: 165). Innerhalb eines Genres kann er kaum Unterscheidungen vornehmen und kennt keine speziellen Personen sowie Regisseure oder Schauspieler. Er findet daher nur schwer einen näheren Zugang zum Film und tritt kaum mit anderen Fans in Kontakt. Aus diesen Gründen kommt es oftmals zu einer Abwendung von der Materie.
Der Tourist ist bereits eher mit der Materie vertraut und bringt eindeutig Begeisterung auf. Sein Interesse gilt nicht alleine dem primären Produkt – also dem eigentlichen Film – sondern auch den Hintergründen seiner Entstehung und einigen sekundären Materialien (z.B. Magazine oder Fanzines*2 ). Allerdings beschränkt sich der Tourist auf den Konsum der ihm angebotenen Produkte.  (Winter 1995: 170) Seine Interessen liegt mehr in der Erfahrung von außeralltäglichen Erlebnissen. Es steht daher auch noch nicht fest, ob sein Interesse von Dauer ist.
Der Buff hingegen ist sozusagen der wahre Fan. (Winter 1995: 175) Er besitzt detaillierte Kenntnisse über die Materie und ist aktiv am Leben der Fangemeinde beteiligt. Er konsumiert nicht nur, sondern stellt auch selbst Texte her. Ferner nimmt er intensiv an Treffen oder Conventions*3 teil oder organisiert diese sogar. Der Buff ist es auch, der am ehesten auf Fanartikel anspricht und so manchmal zum Sammler werden kann. Mit diesen genannten Aktivitäten hebt sich der Buff deutlich vom Touristen ab, was durchaus beabsichtigt ist.
Der Freak verkörpert den Extremisten unter den Fans. Man kann sogar behaupten, dass diese Kategorie auch das Bild vom negativen Stereotyp bestimmt, auch wenn dies sicherlich in den seltensten Fällen tatsächlich zutrifft. Sein Alltag ist zuweilen stark von der Materie beeinflusst. Nicht selten sehen die „normalen“ Fans die Aktivitäten des Freaks als Übertreibungen an, während er selbst seinen Titel als Auszeichnung empfindet.

Bei Winters Fantypologie muss an dieser Stelle zu bedenken gegeben werden, dass er diese im Zusammenhang mit einem bestimmten Genre erstellt hat. Ähnlich wie bei einer Fernsehserie sind Genres keine kurzlebigen Phänomene, sondern ziehen sich zuweilen über Jahrzehnte hinweg. Ebenso wie den Kulturgütern gibt es auch den Fans die Chance, sich im Laufe der Zeit zu entwickeln. Wie bereits gesagt, ist ein Kultfilm aber zumeist ein einmaliges Ereignis und der Kontakt entsprechend kurz – etwa die Länge eines durchschnittlichen Spielfilms. Fortsetzungen bleiben Ausnahmen und auch Fanartikel gibt es in den seltensten Fällen. Eine Eins-zu-eins-Übertragung auf die Fans eines Kultfilms ist dementsprechend problematisch, da die Anzahl potentieller Aktivitäten sehr viel geringer ist. Selbst ein Treffen kommt bei Fans von eher unbekannten Filmen aufgrund der geringen Anzahl ihrer Kultisten nur sehr selten bis gar nicht zustande. 
 

5.1. Umfrage

Um ein wenig die Problematik der Übertragung zu kompensieren, habe ich kurzfristig selbst eine kleine Datenerhebung gemacht, die sich an die oben beschriebenen Kultisten richtete. Die von Rainer Winter erarbeiteten Theorien über den produktiven Zuschauer richten sich vor allem an die Fans des Horrorfilms – ein Genre, das schon immer von den klassischen Vorurteilen gegenüber seinem Fandom*4 betroffen war und aufgrund dessen vermutlich als prädestiniert für soziologische Untersuchungen angesehen wird. Zudem sind Genres keine abgeschlossenen Phänomene. Der Fan kann sich mit ihm entwickeln und kann auf stetig produziertes Material zurückgreifen, wohingegen die Anhänger eines Kultfilms sich in der Regel mit demselben begnügen müssen. Bei einem Genre sind es somit mehrere Geschichten und Handlungen, die die Bedürfnisse des Fans erfüllen. Einem Kultfilm gelingt dies ganz alleine.

Abb.20: Internet-Umfrage
Um nun im nachfolgenden Abschnitt die Fankultur der Kultfilme näher beschreiben zu können, habe ich übers Internet eine kleine Umfrage gestartet. Dabei sammelte ich zunächst aus verschiedenen Homepages und Diskussionsforen über diverse Kultfilme mehr oder weniger wahllos einige E-Mail-Adressen und verschickte an diese meinen Umfragebogen. Zudem stellte ich ihn über meine eigene Filmseite ins Netz (siehe auch Abb.20). Die Dauer dieser Umfrage betrug aufgrund des relativ kurzen Zeitraums, der für die gesamte Magisterarbeit vorge-geben war, rund einen Monat. Die Auswahl der Befragten war also von Anfang an auf die Internetkonsumenten beschränkt, die daher bereits ein gewisses Maß an Informationen besitzen müssen, unter dem sich auch die richtigen Web-Adressen befinden. Durch einige gezielte Fragen, z.B. wann der Film produziert wurde und ob man einen Satz zitieren könnte, wurde zumindest ein geringer Grad an Kompetenz sichergestellt, der den Kultisten vom „normalen“ Zuschauer unterscheidet.
Nach Ablauf des Monats hatten mich siebzehn Antworten erreicht, welche natürlich nicht die Vorgaben einer mathematisch fundierten Repräsentativität erfüllen. Allerdings war eine derart hohe Qualität auch nie angestrebt. Die zum Teil recht ausführlichen Antworten lassen sich jedoch gut als Einzelbeispiele anführen, die meiner Meinung nach durchaus als exemplarisch für die Ansichten und Aktivitäten der Kultisten gelten können, wodurch sich sogar ein Wandel in der Ausübung eines Kults belegen lässt.
 

5.2. Fankultur

Vielen Menschen sind Fans recht suspekt. Zumindest jenen, die nicht soviel Energie und Zeit in die Verehrung eines Films, Stars oder Fußballvereins einbringen. Vor allem die Mitglieder und Anhänger der intellektuellen Hochkultur vertreten nicht selten die Meinung, dass die Produkte der Populär- und Massenkultur lediglich minderwertige Kulturgüter sind. (vgl. Winter 1995: 132) Übrigens auch ein Vorwurf, mit dem sich Shakespeare seinerzeit auseinander zu setzen hatte. Vielleicht steckt auch ein wenig Neid dahinter, da Fans dieselben Betrachtungsweisen der hohen Künste für ihre vermeintlich banalen Trivialtexte verwenden. So sind es nicht zuletzt promovierte Psychologen, die mit ihren Untersuchen zu beiweisen versuchen, dass Fans nichts anderes sind als das, wie es Rainer Winter als Beispiel für gängige Vorurteile überspitzt folgendermaßen karikiert:

„Fans sind obsessive, „lobotomisierte“ Anhänger der Massenkultur, die alles kaufen und konsumieren, was mit ihrem von der Kulturindustrie gesteuerten Interesse zusammenhängt, sie widmen ihre Freizeit oder gar ihr Leben gesellschaftlich für wertlos gehaltenen Kulturgütern.“ (Winter 1995: 129)
Dies ist das klassische Klischee vom Einzelgänger, der den Bezug zur Realität endgültig verloren hat. Natürlich muss man der Psychologie eingestehen, dass es solche Fälle tatsächlich gibt, allerdings sind es seltene Extreme, die leider oftmals pauschalisiert werden. Im Allgemeinen sind die Verhaltensweisen der Fans sogar Ausdruck von Selbstbewusstsein und Lebenslust. (vlg. Matthiesen 2000: 45) Und jeder, der einmal bei einem Fantreffen zugegen war, wird schnell feststellen, dass Fans keine einsamen Verrückten mit einem obskuren Hobby sind. Statt dessen bilden sie eine eigene Sozialwelt, in der eine Art Hierarchie herrscht, wie sie durch die Fantypologie zuvor beschrieben wurde. (vgl. Winter 1995: 144) Je nachdem, ob und wie intensiv die verschiedenen Praktiken ausgeübt werden, entscheidet sich, in welchem Rang ein Fan eingestuft wird. Am ehesten zu unterscheiden ist dies am Wissen. Ein Buff oder gar ein Freak kann nicht selten ganze Szenen zitieren und kennt die Umstände und Hintergründe der Filmproduktion, sowie detaillierte Kenntnisse über sämtliche Akteure vor und hinter der Kamera. Mit Hilfe dieses Insider-Wissens und der Präsentation derselben auf Treffen oder in Chatrooms kann der Fan seinen Status innerhalb der Sozialwelt steigern und festigen. Zugleich gibt er es aber auch weiter, was eine Bindung der Fans untereinander und die Entwicklung eines Kommunikationsnetzes bedeutet. (vgl. Winter 1995: 154) 

So ist es kein Wunder, dass alle siebzehn Teilnehmer der Umfrage ein markantes Filmzitat anführen konnten. Häufig war es sogar ein spezielleres - so kam bei den meisten StarWars-Fans nicht der bekannte Gruß Möge die Macht mit dir sein, sondern ein Dialog zwischen Han Solo und Prinzessin Leia aus „Das Imperium schlägt zurück“: Leia: Ich liebe Dich. - Han: Ich weiß.
Auch die überhebliche Meinung des imperialen Generals Takin wurde genannt: Evakuieren? Im Augenblick des Triumphes? Ich glaube doch, Sie überschätzen ihre Chancen! (Kurz darauf wurde seine gigantische Raumbasis von den Rebellen vernichtet.)
In beiden Zitaten lässt sich bereits die enge emotionale zwischen Film und Fans erahnen.

Die offensichtlichste Art von Wissen sind Fanzines. Von Buffs oder Freaks produziert, vermitteln sie den in die Sozialwelt integrierten Fans die neusten Informationen und geben den eingefleischten unter ihnen die Möglichkeit, ihre Kompetenz produktiv zu manifestieren und sich somit in der ansonsten eher anonymen Gemeinschaft einen Namen zu machen.

„Wenn ein Fan Zugang zu Fanzines hat, und sogar in ihnen schreibt, weist dies potentiell auf eine tiefere Integration in die Sozialwelt hin, da die Fanzines in erster Linie Insiderinformationen zur Verfügung stellen. Oft genügt ein Fanzine, um Zugang zur Szene zu finden.“ (Winter 1995: 154)
Dabei ist ztu beachten, dass diese Fanzines selbst im best sortiertesten Zeitschriftenhandel nicht zu finden sind. Sie können ausschließlich direkt beim Produzenten gegen ein vergleichbar geringes Entgelt bestellt oder abonniert werden. Die Qualität kann sich dabei durchaus mit professionellen Printmedien messen, allerdings versucht man auch, sich absichtlich von ihnen zu unterscheiden.

Nun können aber die wenigsten Kultfilme ein derart dichtes Netz von Kultisten aufweisen, so dass nur große Gemeinden wie die von „Star Wars“ oder „Rocky Horror Picture Show“ Fanzines produzieren bzw. produziert haben. Denn ist ein Film nicht mehr aktuell, beginnen sich Novizen und Touristen schnell anderen Projekten zuzuwenden, während der harte Kern alleine zurückbleibt. Selbst die StarWars-Fanwelt lag nach Episode VI: „Die Rückkehr der Jedi-Ritter"*5 von 1983 bis zur Neuaufführung der restaurierten Trilogie 1997 eine lange Zeit im Winterschlaf und wurde lediglich durch eine Reihe wirklich guter Romane am Leben erhalten.*6 Mein zwischenzeitlicher Versuch, bei der Arbeit für eine Schülerzeitung Kontakt mit dem größten Fanclub Deutschlands aufzunehmen, scheiterte daran, dass er einfach nicht mehr aktiv war, was sich mit "Episode I" von 1999 schlagartig änderte. Allderdings sind nicht alle Fans von ihr angetan. Viele glauben sogar, dass der Kult dadurch geschädigt werden könnte – ähnliche Äußerungen sind auch von der „Blues Brothers“-Fortsetzung zu hören, während sich Kultisten jüngerer Filme eher eine Fortführung der Geschichte wünschen, selbst wenn diese wie bei James Camerons „Titanic“ überhaupt nicht möglich ist. Einige StarWars-Fans der ersten Stunde dagegen sehen "Episode I" lediglich als besseren Kinderfilm an, der eigentlich nur noch zu einem Werbefilm für die enorme Menge Merchandise-Artikel verkommen ist. Dies ist jedoch in sofern seltsam, als dass „Krieg der Sterne“ von 1976 eigentlich ebenso nichts anderes darstellt, auch wenn von Spielfiguren anfangs keine Rede war. Das Problem ist meiner Meinung nach, dass die Kinder von damals die erwachsenen Fans von heute sind, die sich noch immer an die beeindruckenden Erlebnisse von damals erinnern, deren gegenwärtige Ansprüche sich nun aber nicht mehr mit einem Märchen zufrieden geben. Der Großteil allerdings – auch laut meiner Umfrage, bei der sieben StarWars-Fans mitgemacht haben – wusste genau, was ihn erwartete. Zudem wird das Merchandising eher als Chance wahrgenommen, sich intensiver mit der Materie zu beschäftigen – freiwillig, denn niemand muss etwas zu kaufen, wenn er nicht will. 

So ziemlich alle Befragten wenden daher kaum finanzielle Mittel für ihren Film auf, sollte es überhaupt Material zu erwerben geben. Lediglich das Filmplakat hängt in fast jeder Wohnung. Das Zusammentragen von Filmsouvenirs überlässt man anscheinend lieber den Sammlern, deren Leidenschaft sich nicht grundsätzlich von der eines Briefmarkensammlers unterscheidet. Neben der Anhäufung von zum Teil beachtlichen (Sammler-)Werten, kann auch er so seine Stellung innerhalb der Sozialwelt etablieren. (vgl. Winter 1995: 152) Dabei wird der eigentliche Sinn der Gegenstände verändert, indem mit Figuren nicht gespielt wird, sondern man sie originalverpackt in einem Regal zur Schau stellt. Besondere Trophäen sind Requisiten aus dem Film oder aus der Kinowerbung, vor allem, wenn man sie direkt von der Industrie ergattern konnte und nicht erst von einem anderen Fan oder dem Fachhandel käuflich erwerben musste. Denn auch hier gilt: Eine Kopie ist eben nur eine Kopie!

Die Produktion eines Fanzines lohnt sich also nur – vom Aufwand her und finanziell gesehen – wenn eine gewisse Anzahl an Abnehmern vorhanden ist. Allen anderen bleibt nur ein direktes Treffen, was bei einem Film, wie „Chasing Amy“ (USA 1994) von Jungregisseur Kevin Smith, jedoch nie zustande kommen dürfte – er ist in keinem Lexikon zu finden. Erst das Internet hat jenen kleinen Fangemeinden ermöglicht, sich auszutauschen. Und dies geschieht in Dimensionen, die wohl niemand zuvor für möglich gehalten hätte. Auf diese Weise können nun auch unbekannte Independent-Produktionen eine treue Gemeinde bilden – von den bekanntesten Kulten ganz zu schweigen. So gilt Quentin Tarantino als der am häufigsten im Netz vertretene Regisseur. Zahllose Fans widmen ihm überall auf der Welt unabhängige Homepages, auf denen sich der Kultist wie auf einem Pilgerpfad durch seine Sozialwelt bewegen kann, die sich bis in den letzten Winkel des Cyberspace’ erstreckt.

„Das Faszinierende dieser kleinen Schreine ist ihre ständige Proliferation, die die Kontinuität eines Rituals, den Gottesdienst eines Kults garantiert.“ (Fischer/Körte/Seeßlen 2000: 10)
Diese Möglichkeiten könnten dazu geführt haben, dass sich in den letzten Jahren ein Wandel in der Ausübung von Kulten vollzogen hat. So gaben lediglich zwei der siebzehn Befragten an, auf Treffen zu gehen, während acht von ihnen ihren Kultfilm als Hobby bezeichneten und sogar fünf aufgrund der Erstellung einer Homepage oder dem Schreiben eigener Geschichten selbst zu Produzenten wurden. Natürlich ist das prozentuale Verhältnis in diesem Fall lediglich eine kühne Vermutung, aber inzwischen werden Treffen und Conventions intensiv durchs Internet organisatorisch unterstützt, so dass sich auch die „traditionellen“ Fans im WorldWideWeb tummeln dürften. Doch nun kommen auch jene in den Genuss von Kontakten, die sonst niemals den Aufwand für ein Treffen betrieben hätten.

Durch beide Arten von Treffen – reale wie virtuelle – wird nicht nur faktisches Wissen ausgetauscht, sondern auch andere Sichtweisen auf einen Film. In einem Diskussionsforum über „The Matrix“ wird nicht nur über bestimmte Stilmittel geplaudert, sondern auch über die Philosophie der Story, die unter Umständen geradezu existentielle Fragen aufwirft – zum Beispiel, ob es die Widergeburt gibt.

„Alles in der Natur dreht sich im Kreis oder in Spiralen. Warum sollte es den gerade hierbei anders sein. Der Haken an der Sache ist nur, dass wir uns mit unserem „leicht beschränkten“ Bewusstsein nicht mehr an das davor erinnern können. Wär’ ja auch schlimm, wenn ich wüsste, dass der nette Nachbar von jetzt mich mal um die Ecke gebracht hat.“ (Madmax (Spitzname des Autors) - aus einem Internetforum zu „The Matrix“ – http://www.inside-the-matrix.de)
Alleine dieser Beitrag zeigt schon, dass der Film in einer Fangemeinde längst nicht das einzige Gesprächsthema ist. Man verarbeitet auch persönliche Probleme aus dem Alltag, zumal man unter Menschen ist, mit denen man zumindest eine Gemeinsamkeit besitzt: den Kult. (vgl. Winter 1995: 154) Dies lässt nun erneut das Vorurteil aufkommen, dass Fans sich in einer von der Außenwelt abgeschotteten Gemeinschaft befinden, doch der Großteil der Befragten gab einen Freundeskreis an, der sich in erster Linie nicht aus Fans zusammensetzt. Bei den anderen ergab sich dies mehr oder weniger durch Zufall, vor allem, wenn der erste Kontakt mit einem Film durch einen Kinobesuch mit der Clique erfolgte, die sich eh durch gemeinsame Aktivitäten und Interessen auszeichnet. Auch soziale Konfliktsituationen, sollte sie überhaupt jemand erlebt haben, gehen nicht über ein harmloses Ach, du bist ja verrückt! hinaus.

Bleibt noch, den eigentlichen Konsum des Films zu beschreiben, als einer der prägnantesten Rituale eines Kults. Jeder der Befragten besaßt seinen persönlichen Kultfilm auf Video – manchmal sogar die (englische) Originalversion oder die DVD. Im Durchschnitt führt jeder Anhänger zirka 2-3 mal pro Jahr dieses Ritual durch, das in Verbindung mit der Gemeinschaft zu einer Art Gottesdienst werden kann, der die Distanz zwischen Zuschauer und Aufführung vermindert. Gerade bei Filmen, die noch regelmäßig im Kino aufgeführt werden, kann das Ereignis zum Happening werden. (vgl. Winter 1995: 149) So sitzen bei „Star Wars“ viele kostümierte Fans im Saal, und buhen lautstark, wenn der finstere Darth Vader erscheint, während die bereits beschriebenen Aktivitäten der „Rocky Horror“-Fans den Film fast schon als Hintergrundbegleitung für ihre eigenen Inszenierungen nutzen. Selbst das Anstehen für eine Kinokarte gehört schon dazu.

Generell lässt sich behaupten, dass Kultisten im Allgemeinen zu den kompetenteren Kinogängern gehören: den Cineasten. (vgl. Heinzlmeier/Mennigen/Schulz 1988: 17) Von den Befragten ging fast jeder mindestens einmal im Monat im Kino, die Hälfte sogar mehrmals, was weit über der durchschnittlichen Anzahl von Kinobesuchen 1998 bei den 20-29 Jährigen von 5,1 pro Jahr liegt. (Quelle: http://home.germany.net/kinofilm/zuschauer.htm) Bei der Frage nach ihren fünf Lieblingsfilmen fiel zudem auf, dass sich darunter Filme befanden, die zum Teil aus gänzlich unterschiedlichen Genres stammten. In den Aufzählungen waren sowohl anerkannt anspruchsvolle Klassiker als auch vermeintlich stumpfe Massenprodukte zu finden, die aus Kritikersicht rein gar nichts gemeinsam haben dürften, aber dennoch ein und den selben Rezipienten zu begeistern vermochten. Erstaunlich auch, dass von den Befragten, die über 20 Jahre alt waren, fast alle Abitur oder sogar einen (Fach-)Hochschulabschluss besaßen und somit eigentlich zu den Vertretern der Hochkultur zählen müssten – laut Klischee. Es wäre demnach interessant zu sehen, ob dieses Verhältnis tatsächlich zutrifft, da aufgrund der Durchführung meiner Befragung im Internet sicherlich generell ein höheres Bildungsniveau angesprochen wurde, was bei den Nutzerprofilen der modernen Computertechnik zur Zeit noch die Regel sein dürfte.

Letztlich entscheidet aber zumeist der Erstkontakt, ob ein Film zum persönlichen Kult wird. So meinten fünfzehn Befragte, dass sie sofort nach dem ersten Konsum zu Kultisten wurden. Dabei spielte es keine Rolle, ob diese Begegnung im Kino oder am heimischen Fernseher stattfand. Dass ein Kultfilm dabei immer eine persönliche Komponente des Rezipienten anspricht, lässt sich besonders gut mit der folgenden Äußerung eines Fans erklären:

„Nach 131 Minuten konnte ich ungelogen erst mal keinen klaren Gedanken fassen. Begeistert von den überragenden Effekten und einer Story, die man erst mal verdauen musste.“ (Godlike (Spitzname des Autors) - aus einem Internetforum zu „The Matrix“ – http://www.inside-the-matrix.de)
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*3

*4
*5
 
 

*6

Zählt man alle Kino-, Video- und Fernsehproduktionen zusammen, kann der deutsche
Konsument jährlich zwischen 12.000 Spielfilmen auswählen.
(vgl. Jacobsen/Kaes/Prinzler 1993: 290)
Fanzines sind von den Fans produzierte Magazine, die sich in erster Linie an die Gemeinde
richten und nicht auf kommerziellen Erfolg ausgerichtet sind.
Conventions sind große, meist kommerzielle Fantreffen mit aufwendigen Aktionen
(z.B. mit Stars).
"Fandom" ist der (englische) Oberbegriff für die gesamte Fangemeinschaft und -kultur eines Films
Die Krieg der Sterne-Saga wurde von George Lucas in neun Kapitel entworfen. Die drehzeitlich
gesehen ersten drei Teile von 1976, 1979 und 1983 sind dabei die Episoden IV ,V und VI. Mit
„Die dunkle Bedrohung“ von 1999 beginnt sozusagen eine neue Trilogie, die die Vorgeschichte
erzält, also die Episoden I, II und III.
An dieser Stelle bekennt sich der Verfasser zur Trivialliteratur

II.4. Stars und MeisterInhaltsverzeichniswww.bleyenberg.deIII.1. Das Geheimnis des Erfolges