II.3. Mehr als nur ein GenreInhaltsverzeichniswww.bleyenberg.deII.5. Kultisten - Die Fans

II. DAS PHÄNOMEN
4. Stars und Meister 
 

Ähnlich wie Filme, so können auch Personen einen Kult begründen. Am häufigsten ist dies bei einem Star der Fall. Allerdings ist es weniger der Star selbst, als vielmehr sein Image, das er verkörpert und mit dem sich seine Fans identifizieren.

„Er ist Träger und die Personifizierung von überschaubaren und funktionstüchtigen Verhaltensmustern einer Zeit, gibt der Handlungsmächtigkeit einen Körper und eine Identität, die zur Identitätsbildung des Zuschauers beiträgt.“ (Wuss 1993: 413)
Am Beispiel von Greta Garbo konnte man beobachten, wie die Filmindustrie einer Schauspielerin oder einem Schauspieler ein bestimmtes Image praktisch auf den Leib schneidert. Dabei sind nicht nur die Filmrollen ausschlaggebend, sondern auch Interviews, Magazine und sonstige öffentliche Präsentationen. Hinzu kommt natürlich die individuelle Interpretation durch den Zuschauer. Ein Image und somit die filmische Aussage eines Stars sind eine Komposition aus visuellen, verbalen und auditiven Zeichen – auf diese Weise wird der Star selbst zum Text, den Fans erwarten, wenn sie ins Kino gehen. John Wayne als sensiblen Familienvater könnte sich niemand ernsthaft vorstellen. (vgl. Winter 1995: 96)

Greta Garbo konnte auf diese Weise ihren Erfolg bei der Durchsetzung von eigenen Projekten geltend machen, und auch Humphrey Bogart bekam stetig Rollenangebote, die extra für ihn geschrieben wurden. Viele Akteure sind mit der Festlegung auf bestimmte Charaktere jedoch weit weniger glücklich. So musste Harrison Ford lange gegen seine Abenteuerfiguren Han Solo (aus „Krieg der Sterne“) und Indiana Jones anspielen, denen er allerdings seinen Erfolg verdankte. James Dean bekam gar nicht erst die Chance und steht seit seinem tödlichen Autounfall am 30.9.1955 nach nur drei Filmen für den Prototypen des jungen Rebellen. Marilyn Monroe galt stets als das Sexsymbol Hollywoods – eine Rolle, in der sie anscheinend nicht alt werden wollte. Am 5.8.1962 nahm sich Norma Jean Baker (so ihr bürgerlicher Name) vermutlich mit einer medikamentösen Überdosis das Leben – der medizinische Nachweis war damals nicht eindeutig möglich. Beide Darsteller, Monroe und Dean, wurden durch ihr frühzeitiges Ableben nicht nur zum Kult, sondern gar zum Mythos.

Seit der Geburt des ersten Stars, werden sie von den Produzenten als Erfolgsgaranten angesehen. Nicht selten macht die Hälfte eines Budgets die Gage eines einzigen Stars aus.  Bei genauerer Betrachtung von Kultfilmen, zumindest von denen, die definitiv als solche gelten, fällt zwar auf, dass auch dort häufig Stars mitgewirkt haben, jedoch sind sie erst im nachhinein oder durch den Kultfilm zum Star geworden. Vor „Easy Rider“ waren Dennis Hopper und Jack Nicholson praktisch unbekannt, und Harrison Ford hatte als Han Solo seine erste Hauptrolle. Ähnliche Beispiele gibt es zu Duzenden, was vermuten lässt, dass es nicht das Image des Stars ist, was die Entstehung eines Kultfilms begünstigt, sondern die Figur, die er verkörpert. Natürlich hat die Qualität der Schauspielkunst zum Teil beträchtlichen Einfluss darauf, wie kraftvoll und letztlich überzeugend die Figur dargestellt wird, doch der Name alleine wirkt bei Kultfilmen noch nicht als Markenzeichen. 

„Kultfiguren sind Typen, nicht etwa Stars!“ (Hahn/Jansen 1998: 10)
Dabei stellt die Figur eines als klischeehaft titulierten Kultfilms häufig selbst ein Klischee in einem überdimensionierten Bild mit nur wenigen oder gar einem einzigen Charakterzug dar. (vgl. Heinzelmeier/Menningen/Schulz 1988: 14) 
Im Vergleich zu den Stars, scheint hingegen bei Regisseuren der Name als Markenzeichen für einen Kultfilm sehr wohl zu gelten. So wurde fast jeder Film Alfred Hitchcocks zum Kult erklärt. Bei seinen Kriminalfällen ging es weniger um die kriminalistischen Methoden als vielmehr um die Psychologie der Figuren, bei denen Hitchcock auch gezielt das Image einiger Schauspieler einsetzte, um eine bestimmte Wirkung zu erzielen. Zudem erfand er mit innovativen Kamerafahrten und Schnitten neue Stilmittel, durch die zum Beispiel schon das bloße Klingeln eines Telefons zum Ursprung des ultimativen Grauens mutierte. Diesem beklemmenden Stil ist Hitchcock Zeit seines Schaffens treu geblieben. (vgl. Gregor/Patalas 1973: 308)

Auch andere Regisseure vermochten mit dem Phänomen des Stars zugunsten ihrer Filme umzugehen. Woody Allen gelang dies auf eine ganz spezielle Art und Weise. Durch seinen guten Ruf standen die berühmtesten Schauspieler praktisch Schlange, so dass er diese zu den tariflich festgelegten Mindestgagen geradezu inflationär einsetzen konnte. Selbst die kleinste Rolle wird zuweilen von jemandem gespielt, der ansonsten Millionen von Dollars für einen derartigen Kurzauftritt verlangen würde.

Ein weiterer Regisseur, der Kultfilme wie am Fließband zu produzieren scheint, ist Quentin Tarantino, der daher schon als Kultregisseur bezeichnet wird. Auch er weiß gekonnt das Image eines Stars in seine Filme zu integrieren. So genießt die Hauptdarstellerin in seinem Film „Jackie Brown“ Pam Grier bei der schwarzen Bevölkerung der USA den Status einer Ikone. Seit den 70ern hatte sie jedoch keine nennenswerte Rolle mehr bekommen. Mit „Jackie Brown“ (USA 1997) inszenierte Tarantino ihr Comeback, dem man in Hollywood nachsagt, er sei der einzig weiße Schwarze der Welt. Ähnlich verlief es mit John Travolta in „Pulp Fiction“ (1994), der seit seinen Tanzfilmen Anfang der 80er-Jahre kaum einen echten Erfolg verzeichnen konnte. 
Auch bei Tarantino spielen Berühmtheiten wie Robert DeNiro sprichwörtlich für’n Appel und’n Ei, wodurch „Jackie Brown“ mit einem Budget von lediglich 12 Millionen Dollar auskam. Auf diese Weise entkommt der Regisseur und Autor zugleich dem Erfolgsdruck. Doch nicht nur das Image seiner Schauspieler nutzt Tarantino, er spielt auch mit seinem eigenen. Seit seinen Filmen wie „Reservoir Dogs“, „Pulp Fiction“ oder „From Dusk till Dawn“ stand er als Meister für blutige Gewalt im Kino. Bei „Jackie Brown“ mussten die überraschten Fans dann damit klarkommen, dass sie fast keinen einzigen Tropfen zu sehen bekamen. Dies nahm man ihm aber alles andere als übel, wussten doch die Fans, dass es ein bewusster Stilbruch war. Eben durch diese Faktoren bekamen Tarantinos Filme Hypertext-Strukturen, die der Kultist zu interpretieren weiß. (vgl. Körte 2000: 15) So wurde „Pulp Fiction“ nicht zuletzt deswegen zum Kultfilm, weil Tarantino bei seinem Schnitt die Figuren mit ihren grotesken Dialogen vor die Handlung stellt und dabei sogar den zeitlichen Ablauf schlichtweg ignoriert. Der zweite Faktor führte gar dazu, dass einige Zuschauer höchst verwirrt aus dem Kino kamen, während die späteren Fans vollauf begeistert waren.
 

II.3. Mehr als nur ein GenreInhaltsverzeichniswww.bleyenberg.deII.5. Kultisten - Die Fans