PrologInhaltsverzeichniswww.bleyenberg.deI.2. Aspekte der Filmsoziologie
 

I. BASIS

1. Die Geschichte des Films 

Wenn man sich mit einem bestimmten Phänomen des Films beschäftigt, ist es unerlässlich, wenigstens einen kurzen Blick in die Geschichte zu werfen. Vor allem die Entwicklung des deutschen Films wird bei der Betrachtung der letzten 100 Jahre sehr viel verständlicher – nicht zuletzt aufgrund dessen Bedeutung im nationalsozialistisch regiertem Deutschland. Während und nach dieser Periode hat sich die Entwicklung im Vergleich zu unseren europäischen Nachbarn in eine ganz eigentümliche Richtung bewegt, so dass die gegenwärtige Situation in unserem Lande grundlegend verschieden ist. 

Weltweit gesehen lässt sich die Geschichte des Films in sechs Zeitabschnitte einteilen. (vlg. Gregor/Patalas 1973: 11)  Die erste begann zirka um 1900 mit der Erfindung der Filmkamera und endete mit dem ersten Weltkrieg und der Entstehung der Stummfilmindustrie 1919, die bereits zehn Jahre später mit dem Tonfilm eine neue Dimension erreichte, aus der sich schließlich die nationalen Unterschiede ergaben. Die vierte Periode setzte 1939 zeitgleich mit dem zweiten Weltkrieg ein. Während dieser Zeit war Europas Filmevolution fast vollständig von Amerika abgetrennt. Hinzu kamen dramatische Einschnitte, verursacht durch die politischen Wirren, deren Auswirkungen bis weit in die Nachkriegszeit (gerade in der jungen Bundesrepublik Deutschland) zu spüren waren. Ab 1960 begann sich der Film in seiner sechsten Entwicklung von der Historie zu trennen, und eine neue Generation von Filmemachern trat in den Vordergrund.

Der erste Teil dieses Abschnitts befasst sich vornehmlich mit der Geschichte des deutschen Films und den wichtigsten Aspekten der gesamteuropäischen Produktionen, vor allem aus dem Blickwinkel der kulturhistorischen Betrachtung. Natürlich kann in dieser Arbeit nicht zu jeder Entwicklung explizit Stellung genommen werden, aber es geht hier auch nicht um eine genaue Analyse der kinematographischen Kunstgeschichte, sondern lediglich um die Herausarbeitung nationaler Besonderheiten. Eine korrekte Analyse der frühen Phase wäre eh kaum möglich, da ein nicht zu unterschätzender Anteil an Filmen einfach vernichtet wurde, sobald sie niemand mehr sehen wollte. Das, was aus jener Zeit überliefert ist, steht demnach nur für einen Ausschnitt des damaligen Kintops, dessen ganze Komplexität vermutlich immer in der Geschichte verborgen bleiben wird.
An vielen Stellen wird jedoch früh sichtbar, welche Einflüsse der Film, als das nunmehr vielleicht bedeutendste Massenmedium, auf Bereiche der sozialen und kulturellen Entwicklungen der letzten einhundert Jahre genommen hat, die jedoch zu Beginn dieser Arbeit weitgehend unkommentiert bleiben, und erst an späterer Stelle erneut aufgegriffen werden. Vor allem dem entstandenen Konflikt zwischen Kunstkritikern und Publikum, der bis heute andauert, wird gegen Ende ein eigener Abschnitt gewidmet.

Da sich die Geschichte der USA grundlegend von der Europas unterscheidet, wird ihr in diesem Kapitel eine eigene Betrachtung zuteil, zumal Hollywood seit Jahrzehnten den weltweiten und besonders den europäischen Kinomarkt mit Abstand dominiert. Die Gründe hierfür sind ebenfalls deutlich aus der Filmgeschichte ersichtlich, wodurch bereits eine Menge Fragen gleich zu Beginn beantwortet werden, was die folgende Betrachtung und Beschreibung des Phänomens „Kultfilme“ ungemein erleichtert. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf dem Umstand, warum gerade amerikanische Filme, die aus einer Gesellschaft kommen, deren Kultur sich von der unserigen so grundlegend zu unterscheiden scheint und zudem von vielen europäischen Sozialkritikern abgelehnt wird (aus welchen Gründen auch immer), im so vermeintlich traditionellen Europa für klingelnde Kassen sorgen und sogar wahre Kultbewegungen und Subkulturen hervorbringen.
 

1.1. Der deutsche und europäische Film

Die Geburtsstunde des Films fand am 28. Dezember 1895 mit der ersten Filmvorführung vor Publikum statt. Damals präsentieren die französischen Gebrüder Lumière im „Grand Café“ in Paris ihre neuste Erfindung: den Kinematographen. Zwar gab es schon einige Jahre zuvor kurze Filmstreifen, die jedoch nicht auf die Art und Weise hergestellt wurden, wie sie die klassische Filmkamera definiert. 

„Indessen: erst mit der öffentlichen Vorführung des lumièrischen Kine-matographen im Dezember 1895 beginnt die Geschichte des Films als eines souveränen publizistischen Mediums, als >Sprache< und >Schauspiel<.“ (Gregor/Patalas 1973: 13)
In den folgenden Jahren entwickelte sich aus den ersten kurzen Streifen in ganz Europa eine vielbeschäftigte Filmindustrie. In Frankreich machten die Lumièrs den Anfang neben der Herstellung von Projektoren auch mit der Produktion von wirklichkeitsgetreuen Darstellungen der objektiven Umwelt, die man im heutigen Sinne eher als Dokumentarfilme bezeichnen würde. Aus künstlerischer Sicht belebten sie damals eine für jene Zeit ungewohnte Stilrichtung: den Naturalismus. Es waren unkommentierte Szenen aus dem Alltag, die dem staunenden Publikum eine neue Art der Wahrnehmung*1 zeigten.  Im Laufe der Jahre wurden aus den Momentaufnahmen die Vorläufer der berühmten Wochenschau, die auf der ganzen Welt (auch in den USA) vermarktet und von wandernden Schaustellern in Kneipen und Gaststätten vorgeführt wurden. Lumières Kameraleute reisten durchs Ausland und brachten Filme von Monarchen und Ministern zurück. Waren die Menschen zunächst noch von der neuen Art des Erlebens beeindruckt, verloren sie jedoch bald das Interesse an den monotonen Darstellungen von Personen, so dass sich die Lumières 1898 aus der Filmproduktion zurückzogen und ausschließlich Kameras und Projektoren herstellten.

Der erste Filmemacher, der die kreativen Möglichkeiten des Films entdeckte, war der Zeichner und Theaterbesitzer Georges Méliès. Mit Zeitraffer, Doppelbelichtung und anderen tricktechnischen Methoden filmte er skurrile und phantastische Märchendarstellungen. Bis heute bekannt ist zum Beispiel die von Jules Verne inspirierte, fünfzehn Minuten lange „Reise zum Mond“ von 1902. Ausschnitte findet man heute sogar in Musikvideos von Queen. Doch auch Méliès Filme mit ihrer starren Kameraposition verloren bald an Reiz, was ihn schließlich in den Ruin trieb.

Mit der Gründung anderer Firmen, wie zum Beispiel Pathé 1903 und Gaumont 1910, behielten die Franzosen dennoch ihre Vormachtstellung. Deren Marktanteil lag selbst in Deutschland bei knapp über 20 Prozent.
In unseren Gefilden galt der Fotooptiker Oskar Messter, der 1896 als erstes einen Projektor mit dem sogenannten „Malteserkreuz“ entwickelte – jener Mechanismus, der den Film ruckweise vor die Beleuchtung herzieht, und der bis heute praktisch unverändert blieb. (vgl. Jacobsen/Kaes/Prinzler 1993: 22) Messter gehörte gleichzeitig zu den ersten Filmemachern unseres Landes und geriet auf diese Art und Weise schnell an die berühmt berüchtigte deutsche Bürokratie. Als er für Aufnahmen von Kaiser Wilhelm II. eine Genehmigung beantragte, wurde seine „Höllenmaschine“ nicht als Fotoapparat anerkannt und sein Antrag folglich abgelehnt. Erst zwei Monate später, im Mai 1897, konnte Messter bei einem Stapellauf eine Aufnahme des Kaisers ergattern, der daraufhin ein großer Befürworter dieser Technik wurde und sie fortan als Medium für die Präsentation seiner Person nutzte. Bereits zu dieser Zeit drehte Messter kleine Spielfilme, die eine Rahmenhandlung besaßen, und führte sie in seinem Kunstlichttheater in der Berliner Friedrichstraße vor – das erste fest eingerichtete Kino Deutschlands. Am 31. Oktober 1900 gründete er die Firma Projection GmbH, die sich später in zwei Unternehmen für die Film- und Projektorproduktion teilte. Erstere ging später in der Ufa auf. Zu den stärksten Konkurrenten zählten damals Alfred Duskens und Jules Greenbaum, der die bereits erwähnten Aufträge von Kaiser Wilhelm II. bekam.

Wie rasant der Siegeszug des Kinos begann, lässt sich am deutlichsten mit den folgenden Zahlen belegen: Gab es 1905 in Berlin noch 16 Kinos, stieg deren Anzahl in den kommenden zwei Jahren auf stolze 139 an. 1913 waren es bereits 206 mit insgesamt 49695 Plätzen, die vor allem nach Feierabend von Arbeiterfamilien besetzt wurden. In jenen Jahren bekam der Film somit seinen Status als Massenmedium, gegen das Heerscharen von Intellektuellen und Pädagogen sturmliefen, was (wie wir heute wissen) kaum etwas zu bewirken vermochte. Vor allem Besitzer der Schauspieltheater waren erbost darüber, dass sich das Kino in seiner Gestalt so offensichtlich an ihre Branche hielt – neben dem Film gab es zudem noch tänzerische und musikalische Darbietungen. Mit seinen nunmehr abendfüllenden Spielfilmen erwuchs es zu dem Unterhaltungsort schlechthin, und bald erhoben sich die ersten Stars. Die Schauspielerinnen Asta Nielsen und Henny Porten profitierten zum Beispiel von der Reproduktivität des Filmmaterials, allerdings nur aus der Sicht des Ruhmes, da man bei Herstellungskosten von um die 1000 Mark pro Film nicht allzu reich werden konnte.

In anderen Ländern setzte die Filmproduktion erst wenige Jahre später ein. Die Briten konnten sich 1902 selbst im eigenen Land nicht gegen französische Streifen durchsetzen, wobei es zu bedenken gilt, dass es in Zeiten des Stummfilms auf diesem Gebiet keine sprachlichen Barrieren gab. Lediglich Italien konnte sich mit seinen relativ aufwendigen Produktionen von historischen Ereignissen im internationalen Geschäft behaupten. „Die letzten Tage von Pompeji“ wurde 1908 zu einem der größten Erfolge der bis dato jungen Kinogeschichte.
Der erste Weltkrieg versetzte die europäische Produktion jedoch einen wahren Winterschlaf, der es den Amerikanern ermöglichte, ihre Filmindustrie konkurrenzlos auszubauen. Ausschließlich Dänemark konnte sich als europäisches Land diese Situation ebenfalls zu Nutze machen. Zwar kam auch der russische Film zum Zuge, allerdings nur im eigenen Land. Hinzu kam, dass er zunächst von der zaristischen, dann nach der Oktoberrevolution auch von der sowjetischen Regierung stets unter staatlicher Kontrolle stand. Für das an einem Mangel an Inspiration leidende Ergebnis konnten sich weder die europäischen noch die russischen Zuschauer begeistern. Letztere verehrten daher zumeist die Schauspieler (darunter auch Asta Nielsen) - dies allerdings in einer derart glorifizierenden Art und Weise, die den Europäern bis dahin fremd war. 
 In dieser Krise schlossen sich unter Erich Ludendorff die wichtigsten deutschen Unternehmen zur berühmten Ufa (Universum Film AG) zusammen, die am 18. Dezember 1917 mit einem Grundkapital von 25 Millionen Mark ins Berliner Handelsregister eingetragen wurde und dem Film somit auch einen ökonomischen Stellenwert verlieh. Gegen Ende des Krieges gingen die größten Besitzanteile an die Deutsche Bank. (vgl. Jacobsen/Kaes/Prinzler 1993: 37 und Gregor/Patalas 1973: 55)

Mit der einsetzenden Inflation konnten Deutschland, Italien und Frankreich Filme zu konkurrenzlosen Preisen herstellen. Vor allem Deutschland wurde in den ersten beiden Nachkriegsjahren lediglich von Hollywood übertroffen. Während dieses Kinobooms beschäftigte die Ufa 1919 bereits 2500 Menschen und besaß elf große Lichtspielhäuser mit je 1500 Plätzen. (vgl. Jacobsen/Kaes/Prinzler 1993: 39)
In dieser Zeit konnte sich der Film zudem als Kunstform etablieren. Die günstigen Produktionskosten erlaubten fast jedes künstlerische Experiment, zumal man auf einen Treffer hoffte, der die Leute trotz der äußerst schwachen Kaufkraft ins Kino brachte. Begriffe wie „Expressionismus“, „Impressionismus“ und „Avantgarde“ machten die Runde, die ihre Motive in Kompositionen aus Licht und Schatten stellten und die Bewegung als Rhythmus betrachteten. In Paris entstanden die ersten spezialisierten Filmtheater, in denen sich die intellektuelle Elite zum Anschauen und anschließendem Diskutieren traf. Und 1918 befreite der Franzose Abel Gance die Kamera endlich von ihrer starren Position. Doch mit zum Teil zwölf Stunden Länge (16km Zelluloid) waren seine Werke kaum für die breite Masse geeignet und wurden daher drastisch zusammengeschnitten.
In den Stummfilmjahren nach dem Ersten Weltkrieg wurde aber auch die Trennung zwischen Kunst und Kommerz offenbart. Gerade die französischen Surrealisten trafen mit ihren paradoxen Wirklichkeitscharakteren und abstrakten Motiven  selten den allgemeinen Geschmack*2. Nach der Vorstellung von „L’Age d’or“ (Das Goldene Zeitalter) 1930 zerstörten faschistische Jugendliche die Einrichtung des Theaters und spritzten Tinte auf die Leinwand. Die gezeigten Visionen von freier Liebe und die Kritik an der Kirche führten schließlich zu Vorführverboten. (vgl. Gregor/Patalas 1973: 88-89)

Die Stabilisierung der Wirtschaft setzte solchen Experimente generell ein jähres Ende, und man begann, das Kino dem Geschmack des normalen Zuschauers anzupassen, gerade im Hinblick auf die wachsende Konkurrenz aus dem Ausland. Die Theatereinlagen wurden aus dem Programm genommen und machten der Wochenschau Platz. Äußerster Beleibtheit erfreuten sich Detektivserien, in denen es weniger um Kriminalistik als vielmehr um Luxus, Tempo und einen modernen Lebensstil ging. Besonders Abenteuerfilme sah man als Fenster zur Welt. Zum Kennenlernen von fremden Kulturen stellte die Ufa spezielle Lehrfilme her. Bei der Produktion von Abenteuern setzte Italien zwar die Maßstäbe, doch Hollywood begann mit aufwendigen Filmen (z.B. 1926 „Ben Hur“) den deutschen Markt zu beherrschen, so dass die Ufa bei Paramount einen Kredit aufnehmen musste und schließlich in den Besitz des Hugenberg-Konzerns geriet.

Als Politikum hatte der Film während der Weimarer Republik kaum eine Bedeutung. Erst später interpretierte man in einige Filme faschistische Tendenzen hinein. Vor allem die Filme Fritz Langs leiden heute unter diesem Ruf, obwohl er damals als Innovator der Filmkunst galt. Seine eindrucksvollen Kulissen und Visionen in „Metropolis“ (1926) entstammen seinen Beobachtungen als Architekt während seiner Reise nach New York. Und auch die Geschichte greift eine legitime Frage jener Zeit auf:

„...: nach den Folgen blinden technischen Fortschritts und instrumenteller Rationalität.“ (Jacobsen/Kaes/Prinzler 1993: 64)
Während der nationalsozialistischen Regierung ging Fritz Lang in die Emigration und konnte nicht verhindern, dass das Regime seine Filme für sich in Beschlag nahm. Gerade die Mystik in „Die Nibelungen“ und die Gigantomanie aus „Metropolis“ konnten leider als perfekte Abbildungen der nazistischen Weltanschauung herhalten. 
In den 30er Jahren verdrängte der Ton- den Stummfilm innerhalb kürzester Zeit. Viele Stummfilme wurden damals einfach vernichtet, da man sie als altmodisch empfand. Vor allem von den zahlreichen Trivialfilmen fürs Massenpublikum zeugen nur noch schriftliche Dokumente, wie zum Beispiel Filmkritiken oder Zensurkarten. (vgl. Jacobsen/Kaes/Prinzler 1993: 46) Doch erst als in Hollywood ausschließlich mit Ton gedreht wurde, zogen auch die deutschen Regisseure 1931 nach. Zusammen mit der Weltwirtschaftskrise ging es auch mit der Filmindustrie bergab, obwohl durch die Linguistik im Film nationale Produkte gefördert wurden, da Synchronisation  kaum betrieben wurde. Viele Menschen konnten sich jedoch einen Kinobesuch schlichtweg nicht mehr leisten. Trotzdem wurde auch in dieser Zeit die künstlerische Methodik des Film weiterentwickelt. 
„Dialog und Musik, vor allem aber Geräusche wurden nicht nur als Kulisse zum Bild verwandt, sondern kategorisch eingesetzt: die Kombination von Bild und Ton gestattete es, ein durch das andere zu interpretieren.“ (Gregor/Patalas 1973: 144)
Doch lediglich dem amerikanischen Regisseur Joseph von Sternberg gelang es 1930 mit „Der Blaue Engel“, die neuen Stilmittel der Dialoge künstlerisch und sozialkritisch auszuschöpfen. Ansonsten wurde die Leinwand mit belanglosen Operetten und Komödien geradezu überschwemmt. In dieser schweren Zeit kamen die Leute nur ins Kino, um sich von den Alltagssorgen ablenken zu lassen.

Bereits 1930 gründete die NSDAP eine eigene Filmabteilung. Nachdem Hitler endgültig die Macht im Staate übernommen hatte, erlaubte es die Krise der Filmwirtschaft, diese nach eigenen Vorstellungen zu sanieren. Nichtarische Filmemacher wurden mit Arbeitsverboten belegt, und 1934 kam die Zensurbehörde unter parteiliche Verwaltung. Dabei verfolgten die Nazis zunächst eine indirekte Art der Bevölkerungsbeeinflussung: Regimekritische Arbeiten wurden konsequent verboten. So blieben lediglich die harmlosen Lustspiele übrig, die unfreiwillig die Devise „Kraft durch Freude“ erfüllten.

„Die Lektion des NS-Realismus hieß Natürlichkeit. In der praktizierten Ästhetik galt „das Leben“ schlechthin als höhere Kunst.“ (Jacobsen/Kaes/Prinzler 1993: 126)
Wenn es nur noch eine Stilrichtung gibt, wird diese zwangsläufig zum einzigen aussagekräftigen Instrument der Filmindustrie – egal wie ausdruckslos diese auch sein mochte. Aus diesem Grund stellten naive Komödien wie „Der Mustergatte“ 1933 oder „Die Feuerzangenbowle“ 1943 (beide mit Heinz Rühmann), die wie heutige Filme jener Gattung nichts weiter als unterhalten wollten, das Leben so dar, wie die Faschisten es propagierten.
In diese Rolle ist wohl auch zum Teil die Dokumentarfilmerin Leni Riefenstahl einzuordnen, die mit ihren Bergfilmen ein außerordentliches Auge fürs naive Schöne bewies – ein Talent, dass sich auch Hitler als persönlicher Freund zu Nutze machte. Besonders in den beiden Olympia-Filmen „Fest der Völker“ und „Fest der Schönheit“ erscheint die Person des Führers als mystische Galionsfigur der deutschen Leitkultur*3. Zwar kann man Riefenstahl eher weniger eine radikale Verfechterin des Nationalsozialismus' nennen, ihr wohl aber gnadenlose Naivität gegenüber der hitlerschen Weltanschauung nachsagen. Mit Kriegsbeginn lehnte sie alle weiteren Aufträge ab und besann sich auf ihre ursprünglichen Motive. (vgl. Gregor/Patalas 1973: 154-155)
Ab 1939 drängten sich dann Kriegsrevuen und Heldenfilme in den Vordergrund, die nun absichtlich von der NS-Regierung in Auftrag gegeben wurden und nichts weiter bewirken sollten, als den Kampf fürs Vaterland als einzig wahren Lebenssinn der hiesigen Einwohner zu erklären.

Nach dem Zweiten Weltkrieg drifteten die nationalen Strömungen weiter auseinander. Jedes Land begann einen für sich typischen Stil zu entwickeln, der sich bis heute vor allem in Komödien zeigt*4. Spaniens Filmkünstler waren größtenteils während des Bürgerkrieges 1936-39 nach Mexiko ausgewandert, doch nach 1945 kamen junge Talente zum Zuge, die zwar unter Francos Diktatur generell zum Schweigen verurteilt waren - obwohl es auch systemkritische Filme gab - dafür aber Filmakademien und anspruchsvolle Zeitschriften gründen durften. (vgl. Gregor/Patalas 1973: 375)
In Deutschland setzte mit der Nachkriegszeit der rasante Abstieg der Filmindustrie ein. Die alte Ufa wurde durch die Alliierten zerschlagen, worauf sich die finanzschwachen Folgeunternehmen nicht gegen Hollywoods enormen Aufwand zu behaupten vermochten. Selbst künstlerische Experimente kamen auf diesem Markt gänzlich zum erliegen. Hinzu kam, dass der deutsche Film scheinbar an einer Art Krankheit zu leiden begann: Die Aufarbeitung des Krieges, die in recht fragwürdigen Streifen versucht wurde. Es handelte sich dabei eher um Alibis fürs Volk, in denen von Einzelpersonen erzählt wurde, häufig Hochrangige Militärs, die alleine gegen das Nazi-Regime opponierten, aber letztlich doch scheiterten. Andere Filme verurteilten zwar der Krieg an sich, nicht aber den nazistischen Angriff. Wenn Kritik, dann betraf sie nur die Obrigkeit, indem moralische Fehltritte der Industriebosse thematisiert wurden, wie zum Beispiel in „Das Mädchen Rosemarie“ (1958).
Dort, wo sich viele Cineasten die französische Kunst der Atmosphäre, amerikanische Perfektion und italienische Wirklichkeitsnähe wünschten, verfolgte der deutsche Film durch den blinden Optimismus’ während des Wirtschaftswunders ein ganz anderes Ziel.

„Ein Kino der tabula rasa, seine Perfektion ist Garantie fürs Absolute und seine Spurenlosigkeit. Bloß keine Spuren hinterlassen, das ist das Trauma dieser Gesellschaft, nichts verraten davon, wie etwas geworden ist, die neue Gesellschaft und die neuen Filme.“ (Jacobsen/Kaes/Prinzler 1993: 175)
Dieses „Wegschauen“ gipfelte schließlich in den Heimatfilmen der 50er, in denen die Oberflächlichkeit des deutschen Nachkriegsfilm quasi personifiziert wurde. Die lieblos gemachten Streifen handelten zwar nicht immer von der heilen Welt, aber zum Realismus fehlte letztlich jede Verbindung, was selbst der durchschnittliche Unterhaltungskonsument nicht mehr nachvollziehen konnte.

Der Durchbruch des Fernsehens in den 60ern besiegelte dann auch den totalen Untergang des westdeutschen Kinos. Innerhalb weniger Jahre fielen die Besucherzahlen von über 800 auf unter 180 Millionen. Der regelmäßige Kinobesuch wurde zur Ausnahme, der auch die einstigen Publikumsmagnete wie Heinz Rühmann nichts entgegenzusetzen hatten. Lediglich die Karl-May- und Edgar-Wallace-Filme  konnten noch ein ansehnliches Publikum ins Kino locken. Bereits zu Beginn dieser Entwicklung gab es verzweifelte Rettungsversuche. So glaubte man, durch künstlerisch anspruchsvolle Literaturverfilmungen (z.B. „Die Schachnovelle“ 1960) und hoher Qualität die Anziehungskraft des Films steigern zu können. (vgl. Jacobsen/Kaes/Prinzler 1993: 222) In Frankreich war es nämlich einigen jungen Regisseuren durch die Bewegung „Neue Welle“ gelungen (vgl. Gregor/Patalas 1973: 448), mit ausdrucksvollen Visionen selbst den amerikanischen Filmen Konkurrenz zu machen, wenn auch eine geringe. Doch in Deutschland schlug dieser Versuch deutlich fehl, und solche Filme (z.B. von Alexander Kluge und Volker Schlöndorff) fielen bei der breiten Masse vollkommen durch. Aufgrund des Fehlens von staatlich geförderten Filmakademien (wie es in anderen Ländern üblich war) gab es auch niemanden, der das Publikum zu begeistern wusste. Statt den deutschen Film zu fördern, kamen nun sogar exotische Produktionen aus Indien oder Japan auf den Markt, die sich zwar ebenfalls nicht kommerziell behaupten konnten, aber auf europäischen Filmfestivals die deutschen Künstler fast völlig verdrängten. Inzwischen besitzt Indien die größte Filmindustrie der Welt - die in „Bollywood“ bei Bombay ihren Hauptsitz hat – obwohl sie fast ausschließlich fürs eigene Publikum produziert.*5

Während der ostdeutsche Film unter der Kontrolle des Staates litt, konnten sich auch die westdeutschen Filmemacher in den 70ern nicht gegen Hollywood durchsetzen. Selbst die Einrichtung einer Filmförderung half nicht. Die einzigen Besonderheiten während dieser Zeit waren wohl die Aufklärungsfilme von Oswald Kolle. 
In den 80ern galt es dann schon als Erfolg, wenn ein deutscher Film 150.000 Zuschauer erreichte. Die wenigen Filmemacher, denen dies gelang, nutzten ihre Chance, um nach Hollywood auszuwandern. Zu den bekanntesten gehören Wolfgang Peterson („Das Boot“) und Bernd Eichinger („Der Name der Rose“), die als Europäer in Amerika eine ganz eigene Stilrichtung*6 darstellen. Ansonsten konnten lediglich die Streifen von Komikern wie Otto oder Dieter Hallervorden nennenswerte Treffer landen, riefen damit aber zugleich jene Kritiker auf den Plan, die eine Trennung der Filmwelt in „McDonalds-Streifen“ und dem „Suhrkamp-Kino“ betrauerten und gleichzeitig mit einer Panikmache gegen die kulturelle Postmoderne begannen. (vgl. Jacobsen/Kaes/Prinzler 1993: 290-295)
Wie erfolglos dies bis heute ist, machen folgende Zahlen deutlich (Quelle: Filmförderungsanstalt / www.ffa.de): Im Jahr 2000 betrug der Markanteil hiesiger Filme in Deutschland lediglich 12,5 %. Insgesamt lag die Besucherzahl bei 152,5 Millionen und scheint sich damit seit 1995 (124 Mio.) zumindest ein wenig zu erholen. 
 

1.2. Der amerikanische Film

In Nordamerika begann die Geschichte des Films ähnlich wie in Europa. Am 16. April 1896 fand in New York die erste Vorführung statt. (vgl. Gregor/Patalas 1973: 29) Seitdem wanderten Schausteller mit Projektoren von Thomas A. Edison durch die Lande und zeigten Streifen, die so lang waren, wie Film auf eine Rolle passte – etwa sechs Minuten. Der Unterschied zu Europa bestand jedoch darin, dass selbst ältere Unterhaltungsbranchen wie das Varietétheater die neue Technik gewinnbringend zu nutzen wussten. Außerdem verhalf das traditionelle Theater vermutlich ungewollt dem Kino auf die Sprünge, als durch einen Schauspielerstreik 1900 die Theaterbesitzer gezwungen waren, ihr Programm mit Filmvorführungen aufrecht zu halten. Ab 1902 wechselten viele Einrichtungen dann komplett auf diese Schiene, und 1905 eröffnete ein Unternehmer in Pittsburgh mit dem „Nickelodeon“*7 das erste Kino, das zwar ausschließlich für Filmvorstellungen gebaut war, zudem aber alle Annehmlichkeiten des Theaters besaß.

Auch wirtschaftlich entwickelte sich die amerikanische Filmindustrie schon früh in eine andere Richtung, als durch die Einführung der Verleiher-Branche die Kontrolle über die Vorführung ebenfalls in die Hände der Produktion fiel. Auf diese Weise versuchte der Monopolist Edison seine Stellung im Filmgeschäft gegen Hunderte von Konkurrenten zu behaupten. Zusätzlich besaß er die technischen Patente und führte Standardformate ein. Sogar mafiaartige Methoden wurden angewandt, um die anderen Unternehmen klein zu halten, doch diese flohen daraufhin 1906 gen Westen in einen kleinen Vorort von Los Angeles: Hollywood*8. Dort war nicht nur das Wetter weitaus besser, sondern auch die Produktionskosten. Zusammen mit zugkräftigen Darstellern konnten sie sich schließlich gegen den großen Zusammenschluss von Produzenten – den „Trust“ - an der Ostküste erfolgreich zur Wehr setzen. Das Anti-Trust-Gesetz von 1917 gab ihm schließlich den Rest. Zu den neuen Unternehmern in Hollywood zählten bekannte Namen wie William Fox und Samuel Goldwyn. (vgl. Gregor/Patalas 1973: 30)

Auf der Ebene der Filmkunst fiel zunächst der Mechaniker Edwin S. Porter auf, der für die Edison-Company arbeitete. Angeregt von europäischen Filmen war er der erste Filmemacher, der reale Begebenheiten mit nachgestellten Szenen kombinierte und so aktuelle Geschehnisse filmgerecht erzählte. Dazu benutze er auch neue Stilmittel wie Szenenwechsel – bisher wurde die Rolle in einem Stück durchgedreht. Später inszenierte er Ereignisse dann vollständig, und mit „The Great Train Robbery“ erschuf er das Genre des amerikanischen Films: den Western.
Zu Porters Schülern gehörte David Wark Griffith, der vor allem europäische Methoden verwandte und weiterentwickelte und sein Interesse für Literatur in die Filme einfließen ließ. Zwischen 1908 und 1914 drehte er über 400 Filme für das Studio Biograph, die vielfach von den Werken Shakespeares oder Dickens’ handelten. Filmische Methoden und Stilmittel nutzte Griffith in erster Linie nicht, um die Zuschauer zu überraschen, sonder nur, wenn es narrativ notwendig war. Inspiriert vom Franzosen Méliès, setzte er Groß- und Nahaufnahmen gezielt ein, statt bisher ausschließlich in der Totalen zu drehen. Nicht nur bei den Themen hielt sich Griffith an die großen Literaten, auch deren Erzählweise übernahm er, was zunächst bei einigen Filmproduzenten für Verwirrung sorgte – Filme über mehrere Rollen (Akte) waren etwas gänzlich Neues. Hinzu kamen schnelle Schnitte, mit denen dem Zuschauer ein Gefühl des Tempos suggeriert wurde. Auch die berühmte Abblende durch einen sich verkleinernden, runden Bildausschnitt ist Griffith’ Talent zu verdanken. 

„In sechs Jahren hatte er den Film vollends von einem Mittel der mechanischen Reproduktion zu einem differenzierten Medium der Erzählung entwickelt.“ (Gregor/Patalas 1973: 33)
Auf eine ganz andere Richtung spezialisierte sich der Kanadier Mark Sennett. Als ehemaliger Varieté-Sänger und –Tänzer erkannte er früh die Möglichkeiten des Films als Entertainment. Die Stilelemente Griffith’ vermochte er ebenso platziert einzusetzen, doch benutzte er diese, um den Zuschauern wahre Knalleffekte an Absurditäten zu bieten. Die Slapstick Comedy war geboren, und 1912 wurde Sennett Direktor von Keystone, dem Studio, das so berühmte Namen wie Chaplin, Lloyd oder die Polizistentruppe „Keystone Cops“ hervorbrachte. Obwohl jene Figuren nach den tatsächlichen Schauspielern benannt waren, blieben es mehr oder weniger künstliche Charaktere, von denen jeder sein Markenzeichen hatte. Das Publikum liebte die paradoxen Figuren, und spätestens die Tortenschlachten machten es deutlich: Schadenfreude ist die schönste Freude! Dabei waren die Produktionen häufig äußerst gefährlich. Brach zum Beispiel irgendwo ein Feuer aus, fuhr man der Feuerwehr hinterher und improvisierte einfach einige Szenen und Sketche an Ort und Stelle. Ebenso drastisch waren Verfolgungsjagden mit Automobilen, die durch den regulären Stadtverkehr oder vor eine fahrende Lokomotive führten. In diesem Umgang mit Technik konnte man aber durchaus eine soziale Fragestellung erkennen: Der blinde Glauben an die hochtechnischen Errungenschaften der Menschheit wird hier gnadenlos karikiert. Ein europäischer Kritiker nannte dies Surrealismus ohne Tränen. (vgl. Gregor/ Patalas 1973: 40)

Anfang der 20er-Jahre traf die Weltwirtschaftskrise schließlich die USA, und folglich blieben auch hier die Zuschauer aus. Gleichzeitig betrieben Hollywoods Studios einen immer höheren Aufwand, um das Publikum in die firmeneigenen  Kinoketten zu locken. Die Produktionskosten für einen Film stiegen in den ersten Jahren von durchschnittlich 60.000 auf 200.000 Dollar. Selbst dann blieben Erfolge wie „Ben Hur“ (1926) eine Seltenheit. Jene pompösen Streifen konnten die hohen Kosten längst nicht mehr einspielen. Trotzdem herrschte Aufbruchstimmung und die Studiobosse warfen mit Geld förmlich um sich. Viele Unternehmen fusionierten oder fielen in die Hände von Banken, was die finanzielle Situation jedoch kaum verbesserte. Filmische Experimente wurden durch sogenannte „Producer-Supervisors“ konsequent abgelehnt. Diese von den Banken eingesetzten Produzenten hatten die Aufgabe, jeden Film auf seine Publikumstauglichkeit zu prüfen, und avancierten so zur eigentlichen Macht im Business. Die ursprünglichen Filmpioniere waren entthront, infolgedessen der Film anonymer und zugleich klischeehafter wurde. (vgl. Gregor/Patalas 1973: 121)

Lediglich einige Stars oder Regisseure von Kassenknüllern durften sich noch Freiheiten erlauben. Vor allem Charlie Chaplin konnte bei First National eigene Produktionen durchführen, die weitaus sozialkritischer waren, als es zunächst den Anschein hatte - die erste Satire im Film. Auch der Charakter der Chaplin Figur wurde nach Belieben der Situation angepasst. (vgl. Gregor/Patalas 1973:135-138) Andere Filmemacher konnten sich nur selten künstlerische Ausflüge leisten, wobei ein Flop sie zurück in die Abhängigkeit trieb. In dieser Zeit versuchten auch einige europäische Regisseure in Hollywood Fuß zu fassen - jedoch mit wenig Erfolg.  Lediglich Ernst Lubitsch gelang als einer der wenigen der Durchbruch. Er traf mit seiner hedonistischen Devise exakt den Nerv der Zeit. Während der Depression wollten die Zuschauer vom Erfolg träumen und folglich auch solche Filme sehen. Luxus im Film wurde zur Selbstverständlichkeit, der selbst im Alltag nun erste Trends setzen konnte. Die Röcke wurden kürzer, die Miedermanufakturen machten bankrott und die Frauen griffen selbstbewusst zur Zigarette. Es war die Epoche der „wilden Zwanziger“. Gleichzeitig aber waren durch den Krieg in Europa und der Wirtschaftskrise die Vorstellungen vom erfolgreichen Amerika in Mitleidenschaft gezogen worden und puritanische Moralvorstellungen begannen zu dominieren, was schließlich in der Prohibition gipfelte. Im Zuge dieser sozialen Umwälzung wurde auch beim Film der Ruf nach staatlicher Kontrolle laut, die etwaige Freizügigkeiten  unterbinden sollte. Verschiedene Skandale und die Ängste vor weiter sinkenden Besucherzahlen führten dazu, dass die Filmindustrie dem zuvor kam, indem sie 1920 eine Zensurbehörde unter der Leitung des Politikers Will Hays einrichtete, die folgenden Grundsatz vertrat:

„Es darf kein Film hergestellt werden, der dazu angetan sein könnte, den moralischen Standart zu untergraben.“ (Satzungsauszug in Prokop 1988: 118)
Da dieser Begriff recht weit ausgelegt werden kann, ging man in Hollywood auf Nummer sicher. Selbst rechtlich versuchte man sich aus Angst vor Schadensersatzklagen nach allen Seiten abzusichern, und im Abspann erscheint seitdem der Zusatz: Sämtliche Personen sind frei erfunden...Ähnlichkeiten wären Zufall...usw.
Dies war ein Grund, warum Filme der späten 20er sehr an Inspiration zu wünschen übrig ließen. Hinzu kam noch die ökonomische Krise im Filmgeschäft, in der fast verzweifelt jeder erfolgreiche Film kopiert wurde – es entstanden Genres. (vgl. Gregor/Patalas 1973: 122) Stilistische Weiterentwicklungen kamen nur Zustande, wenn mehr oder weniger zufällig der richtige Regisseur zur richtigen Zeit mit seinem Talent aufs aktuelle Genre traf. 

Einen etwas anderen Weg ging das neu fusionierte Studio Metro-Goldwyn-Mayer (MGM). Es entdeckte 1925 eine junge Schauspielerin mit Namen Greta Garbo. Mit ihr ersannen die Produzenten eine neue Art des Marketings: den großen Hollywood-Star. Gezielt setzten Regisseure und Kameraleute die Schauspielerin so in Szene, dass die Gestalt einer unnahbaren Göttin entstand. Auch ihr Aussehen wurde entsprechend modifiziert. Zum ersten mal wurde ein Image kreiert, das aus der Schauspielerin ein Markenzeichen machte: Die Garbo. (vgl. Prokop 1988: 84)
Der Erfolg ermöglichte es Greta Garbo, eine eigene Produktionsfirma (Canyon Productions) innerhalb MGMs zu führen. Auch andere erfolgreiche Stars schafften dies, was den Produzenten zunehmend Unbehagen bereitete. Zusätzlich organisierten sich Kameraleute und andere Techniker in Gewerkschaften, was die Macht der Studiobosse weiter reduzierte. Ende der 20er kam MGM-Boss Louis B. Mayer auf die Idee, eine Interessensvertretung aller Filmschaffenden zu gründen, nicht zuletzt aufgrund der steigenden Konkurrenz zu den Radiosendungen: The Academy of Motion Picture Arts. Da sie zudem die Leistungen der eigenen Branche bewertete, eröffnete dies zugleich die Möglichkeit, die Gewerkschaften ein wenig im Zaum zu halten. Und so wurde am 16. Mai 1929 in einer glanzvollen Gala das erste mal der Oscar verliehen, der damals allerdings noch Awards of Merits hieß*9. (vgl. Ramm 2001) 

Bis 1950 wurde die Abstimmung zwischen den Produktionen und den Bedürfnissen des Massenpublikums intensiviert. Ab 1935 gab es Testvorführungen (Previews), bei denen die Reaktionen des Publikums bereits vor Fertigstellung des Films beobachtet werden konnten, worauf man ihn bei Bedarf so weit wie möglich nachbesserte. Heute ist es zuweilen an der Tagesordnung, dass selbst ein Jahr nach Drehschluss ein vollkommen neues Finale gedreht wird. Doch Hollywood setzte nicht alleine auf Massenware, sondern verpackte diese in pompöse Filmkulissen und luxuriöse Kinopaläste. In jenen Zeiten wurde Kreativität zum Glücksfall. (vgl. Prokop 1988: 147) So konnte das Meisterwerk “Citizen Kane” 1941 nur entstehen, weil sich Studioboss David O. Selznik nach dem Erfolg von „Vom Winde verweht“ erschöpft für einige Jahre nach Europa zurückgezogen hatte, und Orson Wells so von den despotischen Bevormundungen Selzniks verschont geblieben war, unter denen sogar der berühmte Regisseur Alfred Hitchcock anfangs zu leiden hatte. Der Film „Citizen Kane“ erzählte in absolut innovativer Weise durch Rückblenden die tragische Geschichte eines Medienmoguls und wurde somit fast zu einem Spiegelbild des rüden Filmgeschäfts. Die dort aufgegriffenen Verhältnisse, laut denen die Welt des Showbiz mehr Schein als Sein sei, führten gegen 1950 schließlich zum Beinahe Untergang der Filmindustrie, zum dem selbstverständlich das Aufkommen des Fernsehens seinen Beitrag leistete. Nachdem am 15. März 1949 die erste Show des Entertainers Milton Berles ausgestrahlt wurde, blieben regelmäßig nicht nur die Straßen, sondern auch die Kinos menschenleer. Weitere Sendungen, wie die „Lucy Show“ 1951, die von Beginn an durch Sponsoren finanziert wurden, machten dies zu einem Dauerzustand. (vgl. Prokop 1988: 163) War der Durchschnittsbürger bislang zwei bis dreimal pro Woche ins Kino gegangen, bekam er die Unterhaltung nun bequem nach Hause geliefert. Selbst die Einführung des Breitbildformats „Cinemascope“ 1953 konnte nicht verhindern, dass TV-Firmen wie  ABC, NBC oder CBS in Hollywood zu herrschen begannen. Die Kinoindustrie versuchte daraufhin, ihre Filme durch einen enormen Produktionsaufwand von denen des Fernsehens hervorzuheben – vor allem durch das Drehen in Farbe. Als Folge davon explodierten die durchschnittliche Kosten pro Film auf zirka zwei Millionen Dollar. Besonders die sogenannten Sandalenfilme, die sich durch ihre siegreichen Helden gegen tyrannische Herrscher auszeichneten, trafen den Geschmack des amerikanischen Publikums. (vgl. Seeßlen 1996: 14-16) Den Anfang machte 1952 „Quo Vadis“, der seine damals spektakulären Kosten von acht Millionen Dollar durch den Einsatz von bis zu 30.000 Statisten, 450 Pferden und 63 Löwen noch einspielen konnte, was im Sinne des Genre-Phänomens eine wahre Flut von teuren Bibel- und Sandalenstreifen nach sich zog. Doch auf Hits, wie zum Beispiel „The Robe“ („Das Gewand“ – der erste Film in Cinemascope) und die Neuverfilmung von „Ben Hur“ 1959 mit Charlton Heston, folgten ruinöse Flops. So wurden bei der damals mit 40 Millionen Dollar teuersten Neuverfilmung „Cleopatra“ über zehn Millionen Dollar Verlust gemacht. Auch die mächtigen Gewerkschaften setzten den Geschäften deutlich zu. Gegen Ende der 60er-Jahre sah es mit Hollywoods Filmindustrie ebenso übel aus wie mit dem berühmten Schriftzug, bei dem inzwischen die letzten vier Buchstaben schlichtweg zusammengebrochen waren. Lediglich auf dem Weltmarkt konnten sich die Firmen noch durch ihr ausgedehntes Verleihernetz mühelos behaupten, obwohl das Ausland zum Schutz des eigenen Films zum Teil bis zu 75% Steuern verlangte. Als Folge davon wurden viele Studios von anderen Medien- oder Musikunternehmen aufgekauft. Doch selbst nach den Fusionen schreiben sämtliche Unternehmen bis heute Verluste*10. Am schlimmsten aber traf es 1969 MGM. Nachdem es von dem armenischen Millionär Kirk Kerkorian aufgekauft wurde, schlachte dieser es vollkommen aus. (vgl. Prokop 1988: 214-215)

Etwa zur selben Zeit wurde das junge Publikum als stärkste Konsumgruppe entdeckt, für das Regisseure von nun an drehten, wollten sie erfolgreich sein – 1960 zum Beispiel Alfred Hitchcocks „Psycho“. Besonders Stars wie Marilyn Monroe, Elvis Presley und James Dean richteten sich dabei direkt an die Rock’n’Roll-Generation. Zusätzlich zogen auch die Ängste vor dem Vietnamkrieg die Jugend zurück in die Kinos, wo der Italowestern – von amerikanischen Produzenten mit italienischen Regisseuren im günstigen Italien gedreht – mit seinen Gangstern als Protagonisten einen Abgesang auf den amerikanischen (Western-) Helden erhob. (vgl. Prokop 1988: 222)
In der Krise der Großen, bekamen die Kleinen*11 ihre Chance und stürmten mit Billigfilmen - davon viele Horrorstreifen, die den „Trash“-Begriff einführten – recht erfolgreich die Kinos. Aber auch künstlerische Experimente wurden hier gemacht, und unter der Firma AIP und dem Produzenten Robert Corman kamen neue Namen ins Gespräch: Francis Ford Coppola, Martin Scorsese oder der damals junge Drehbuchautor Jack Nicholson. (vgl. Prokop 1988: 215)
Als ebenso junge Talente gegen 1970 die technischen Möglichkeiten des Films weiterentwickelten, ging es mit dem Kino langsam wieder aufwärts. Stanley Kubrick erschuf mit „2001 – A Space Odyssey“ (1968) eine neue Zukunft, Steven Spielberg fegte mit „Jaws“ („Der weiße Hai“ 1975) ganze Badestrände leer und Coppolas „The Godfather“ („Der Pate“ 1972) verlieh dem Genre des Gangsterfilms einen neuen Höhepunkt. Durch „Shaft“ entdeckte nun auch das schwarze Publikum das Kino für sich, und nachdem George Lukas mit „Star Wars“ einen gewaltigen Überraschungshit landete, gab es wieder zirka 20 Millionen Besucher pro Woche. So begeistert die Massen von den Klischees und Trends waren, so sahen die Kritiker in der neuen Generation von Filmemachern fast schon die kulturelle Apokalypse. (vgl. Prokop 1988: 233) Doch was damals als ideenlos bezeichnet wurde (Star Wars war schließlich nur ein weiterer überzogener Science-Fiction-Film), zählt heute als Meisterwerk und brachte letztendlich die erfolgreichsten Kultfilme hervor.

In der ganzen Geschichte Hollywoods mischte sich der Staat kaum in die Filmindustrie ein. Finanzielle Förderungen oder gar Rettungen gab es nie, und Zensur erfolgte fast nur unter moralischem Druck der Bevölkerung, den man heute als „Political Correctness“ bezeichnet – ein Begriff, der, wenn er fällt, bei Studiochefs allerdings blankes Entsetzen erzeugt. Lediglich 1946 erzwang das Anti-Monopol-Gesetz eine Trennung der Filmstudios von ihren Kinoketten. Doch um 1942 sorgte ein Senator mit Namen Andrew McCarthy für Aufruhr, als er im ganzen Land nach Kommunisten suchte und zahlreiche Personen über Jahre hinweg mehr oder weniger grundlos inhaftieren ließ. Nachdem der Schauspieler Adolphe Menjou behauptet hatte, Hollywood sei von Kommunisten unterwandert, begann eine wahre Hetzjagd, in deren Verlauf sich viele Regisseure und Schauspieler gegenseitig denunzierten. Lediglich der Star Humphrey Bogart setzte sich mit einer kleinen Gruppe Kollegen öffentlich zur Wehr. Doch es war das Fernsehen, dass diesem Treiben schließlich ein Ende setzten konnte. Nachdem der Journalist Edward R. Murrow 1954 in seiner TV-Show „See it now“ McCarthy angriff, versuchte dieser, sich und seine Motive eine Woche später ebenfalls in jener Show zu verteidigen. Zum Schluss schrie er seine Ansichten wie ein von Wahnvorstellungen verfolgter Irrer laut hinaus, wodurch er seiner Karriere selbst ein abruptes Finale bescherte. (vgl. Prokop 1988: 182) 

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Der Aspekt der Wahrnehmung wird an anderer Stelle dieser Arbeit noch genauer behandelt.
Der spanische Film „Un cien andalou“ (Der andalusische Hund) von Luis Bunuel entstand sogar
unter Mitwirkung des Malers Salvadore Dalis. 
Aus aktuellem Anlass konnte ich mir dieses Wortspiel nicht verkneifen.
Franzosische Komödien sind im eigenen Land überaus erfolgreich, werden außerhalb der
Grenzen jedoch kaum besucht. Da sie sich aber vor allem im Stil unterscheiden, greift
Hollywood häufig durch  „Remakes“ auf jenen Fundus an Handlungen zurück.
Die kitschigen Operetten von über drei Stunden Länge finden im Ausland kaum Freunde. 
Dazu gehört auch der holländische Regisseur Paul Verhoeven, der mit „Robocop“ (1987) und
„Starship Troopers“ (1997) sozialkritische Actionfilme drehte, die sogar Kultstatus erreichten,
aber aufgrund ihrer rohen Gewaltästhetik aus soziologischer Sicht eher negativ betrachtet
werden.
Bereits die Vaudeville-Theater  (billige Varietés für Arbeiter) beizeichnete man als „Odeon“ –
bei Filmvorstellungen nahm man zunächst 10 Cent – einen „Nickel“ – Eintritt.
Erst 1887 eingetragen wurde Hollywood (übers.: Stechpalmenwald) vom Makler Harvey
Wilcox erschlossen. Den Namen verdankt der Landstrich dessen Frau, die ihre Ranch so
benannte.
Laut Gerüchten soll er den Namen von einer Bibliothekarin haben, die die Statue mit ihrem
Onkel Oscar verglich.
Vermutlich sind es aber nur die Zahlen bei der Steuerabrechnung. Denn wie 20th-Century-Fox
noch Verluste machen soll, nachdem das Studio mit „Titanic“ (1997) und „StarWars – Episode 1“ (1999) insgesamt über 2, 7 Milliarden Dollar eingespielt haben, ist mir ein Rätsel.
Quelle: www.worldwideboxoffice.com
Heute bezeichnet man die Kleinen als Independent-Studios.

PrologInhaltsverzeichniswww.bleyenberg.deI.2. Aspekte der Filmsoziologie