PROLOG
“Der Zigarettenanzünder ist im Arsch!”
Eigentlich ist diese Feststellung nicht weiter spektakulär (wenn auch ein wenig vulgär). Doch es gibt Menschen, die bei diesem Satz geradezu ausflippen und sich vor Lachen kaum noch auf den Beinen halten können. Das kann nur eines bedeuten: Es handelt sich um einen Insidergag. Doch in diesem Falle ist es weit mehr. Denn selbst wenn man die Geschichte, die sich dahinter verbirgt, kennt – hier handelt es sich um ein Filmzitat – dürfte sich die Mehrheit der Leute noch immer verwirrt gegenseitig anschauen, verzweifelnd auf der Suche nach dem Witz in dieser Bemerkung. Jake Blues hatte nämlich einige Augenblicke zuvor besagten Zigarettenanzünder, der tatsächlich seinen Dienst verweigerte, aus dem Auto seines Bruders Elwood geworfen – eine eher schlichte und nachvollziehbare Handlung, die auf eine merkwürdige Art und Weise dennoch urkomisch zu sein scheint.** In solch einer Situation muss
also mehr dahinter stecken, als durch die klassische Filmanalyse nachzuvollziehen
wäre. Und etwa an dieser Stelle wird dem frustrierten Kritiker langsam
aber sicher bewusst, dass es sich um eines der unerklärlichsten Phänomene
der Filmgeschichte handelt: Einen Kultfilm!
„...ein Film, bei dem man auf die Frage: >Verstehst du, warum da alleNoch frustrierender sieht die Lage bei den Filmproduzenten aus, die sich nichts sehnlicher wünschen, als mit einer geringen Investition eine große Menge Geld zu scheffeln. Vor allem mit jenen ominösen Kultfilmen - jeder von ihnen in Art und Weise unterschiedlicher als der andere -, die sich zuweilen über Jahre hinaus zu einem Goldesel mausern, ohne dass man jemals teure PR-Aktionen in Auftrag gegeben hätte. Statt dessen stecken alle großen Hollywood-Studios zur Zeit (angeblich) tief in den roten Zahlen. Ein Filmproduzent aus dieser Branche drückte es vor einigen Jahren folgendermaßen aus: „Was uns im Augenblick so lähmt, ist die Tatsache, dass wir, egal was wir machen, weiter am Publikum vorbeiproduzieren als je zuvor. Wir wissen nicht, was es haben will. Wir wissen lediglich, dass es nicht das haben will, was wir ihm vorsetzten.“ (Goldman 1986: 9)Im Moment, so scheint es zumindest, werden Filme von zwei Seiten aus betrachtet: Zum einen die intellektuelle Sichtweise, die Filme auf kulturell wertvolle Aspekte prüft, damit jedoch selten einen Kassenerfolg voraussagt (Beispiele werden im Laufe dieser Arbeit folgen). Die andere Betrachtungsweise ist die der kommerziellen Fraktion, die von den seriösen und hochgebildeten Analysten fast mitleidig belächelt wird – ganz nach dem Motto: Wir sagen, was Kultur ist! Zumeist ist ein Film auf einer dieser beiden Seiten einzuordnen. Doch wieder sind es diese seltsamen Kultfilme, die dieses System ein ums andere mal zu kippen drohen. Filme, denen von allen Seiten eine Minderwertigkeit bescheinigt wird, entwickeln sich plötzlich zu einem wahren Kult, der über Jahre andauert. Es scheint, als habe das Publikum hier eine Möglichkeit gefunden, zugleich gegen die kulturelle Elite und den Produkten der Massenkultur zu rebellieren. Bleibt also die Frage: Wie kommt dies Zustande? Mit dieser Arbeit versuche ich
nun ein wenig Licht in das Dunkel dieses Phänomens zu bringen – ein
Vorhaben, das sich gleich zu Beginn als weit schwieriger erwies, als ich
zunächst erwartet hatte. Bei der Suche nach geeigneter Literatur musste
ich schnell feststellen, dass der Begriff „Kultfilm“ trotz seiner offensichtlichen
soziokulturellen Eigenarten in der Filmsoziologie ein Tabu zu sein scheint.
Selbst Dr. Rainer Winter, Soziologe am Institut der Universität Aachen,
erwähnt dieses Thema in seiner Dissertation „Der produktive Zuschauer“
über das Verhalten von Fans lediglich auf drei Seiten. ( vgl. Winter
1995: 105-108). Auch bei der Suche im Internet und Recherchen bei Online-Bibliotheken
wurde mir als Surfer eine gänzlich ungewohnte Erfahrung zuteil: „Es
wurden keine Dokumente gefunden!“ In der wenigen Literatur, die diesen
Begriff aufgreift, ist der Versuch einer Erklärung ebenso schwammig
wie verwirrend. Ein Umstand, den er mit einem ganz anderen Bereich gemein
zu haben scheint: Der Diskussion um die Eigenschaften der postmodernen
Gesellschaft – mit einem Unterschied: Während es zum Kultfilm kaum
Literatur gibt, wird man von postmodernen Meinungen geradezu überschwemmt,
wobei jede ihre ganz eigenen Ansichten vertritt. Inzwischen scheinen es
allerdings alle Beteiligten aufgegeben zu haben, den Begriff der Postmoderne
in klare Definitionen zu fassen. Statt dessen werden eher einzelne Meinungen
zu spezielleren Aspekten erleutert. (z.B. Rost/Sandbothe 1988: 9f.)
Der erste Teil dieser Arbeit stellt
daher die Basis dieser Untersuchung in Form einer kurzen Zusammenfassung
der Filmgeschichte, den wesentlichen Grundzügen der Filmsoziologie
und der Diskussion um den Begriff der „Postmoderne“ dar. Dabei geht es
weniger um die Theoretiker, als vielmehr um die grundlegenden Aussagen
der Theorien selbst. Anstatt mich also separat mit zwei oder drei Personen
zu befassen, gehe ich eher allumfassend vor, beschränke mich allerdings
auf eine kultursoziologische Sichtweise.
Abb.1: Der Verfasser bei seiner
wahren Berufung
Als letztes sei noch gesagt, dass ich selbst Teil dieser Sozialwelt der Kultfilme und Filmfans bin und daher vermutlich nicht werde verhindern können, dass persönliche Sichtweisen in diese Arbeit mit einfließen. Aufgrund der recht dürftigen Vorarbeit von anderen zu diesem Thema, könnte dies jedoch vielleicht eher von Vor- als von Nachteil sein. |
*1 | B-Streifen sind amerikanische Filmproduktionen,
die mit einem relativ (für Hollywood-
Verhältnisse) geringem Budget gedreht werden und daher zwar recht „trashig“ (am ehesten zu übersetzen mit „billig“) wirken, aber gerade dadurch häufig einen ganz eigenen Charme entwickeln. |
*2 | Damit keine Missverständnisse
auftreten, muss ich zur Erklärung dieser Meinung bemerken, dass
ich mich eher zu den Pessimisten zähle. Aber wie sagte Prof. Herrmann einmal so treffend: „Pessimisten sehen nicht schwarz, sondern klar!“ |
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Zu dieser Filmszene bekam ich folgende EMail von Ulf Janitschke: Soweit ich mich recht erinnere, funktionierte der Zigarettenanzünder
sehr wohl. Jake hatte zuvor mehrmals vergeblich versucht, seine Zigarette
mit Streichhölzern anzuzünden und diese dann aus dem Fenster
geworfen. Der Zigarettenanzünder folgte dann quasi als Automatismus.
Tja, endlich hat es mal jemand gemerkt :-)
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