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Am Dienstag (10.10.2000) war auch ich nun endlich auf der EXPO.
Schon lange hatte ich es mir vorgenommen, aber irgendwie immer wieder rausgeschoben.
Nicht nur, daß mir die Preise einfach zu hoch waren, sondern die Ausstellung an sich reizte mich
nicht sonderlich. Aber jetzt, wo ich mir mit 200.000 anderen Besuchern die Beine in den Bauch
gestanden und bis zum Abend vielleicht 20% gesehen habe, muß ich zugeben, daß sich das
Geld doch gelohnt hat. (49DM - Studententarif). Doch längst nicht alles war toll, und man merkt
schnell, daß die EXPO eigentlich eine krasse Fehlplanung ist.

Ich weiß - jetzt wo die EXPO fast zu Ende ist, kommen Tips recht spät,
aber vielleicht können ja doch noch einige davon profitieren.

Mein EXPO-TAGEBUCH:

Anfahrt
Planet of Visions
Deutschland-Pavillon
Afrika-Halle
Österreich/Slowakei
United Kingdom
Schweden
Lettland
Irland
Themenpark Energie
Sri Lanka
Australien
Venezuela
Fazit
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-------TOLL---------ganz nett-----entäuschend
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Abfahrt 6:00 Uhr
Die Frage, ob man mit dem Zug oder mit dem Auto von Rheine nach Hannover fährt, hat sich schnell erledigt. Da die Bahn ihre Preise zur EXPO nicht verringert hat und für Sonderzüge (die von Rheine aus gar nicht fahren, obwohl es eine direkte Verbindung zum Messebahnhof gibt) kräftige Zuschläge verlangt, fiel die Wahl schnell aufs eigene Auto. (Danke Stephan!)
Staus gab es so früh noch keine, und der Berufsverkehr in Hannover hatte kaum Auswirkungen auf eine schnelle Fahrt. Und so hatten wir bereits gegen 8:15 Uhr einen erstklassigen, jetzt kostenlosen Parkplatz im Parkhaus 4 direkt am Eingang Nord. Auch an den Kassen und am Eingang mußten wir kaum in der Schlange stehen, da wir ungefähr eine halbe Stunde zu früh dort waren. (Einlaß ist um 9:00 Uhr)



Planet of Visions
Gleich nach dem Einlaß liefen wir zum "Planet of Visions", dem angeblich tollsten Themen-Park der EXPO. Doch das Tollste daran war die gigantische Warteschlange von 3 Stunden. Schnell entwickelte die Menschenmasse eine eigene Art von Entertainment - sarkastische und ironische Witze am laufenden Band, und der vor Wut schäumende Hesse war auch cool. "Selbst ein billiger Metzger kann seine Kunden organisieren..." Vor allem als uns eine arme Studentin im EXPO-Outfit gegen 11 Uhr verkündete, daß es eine Wartehalle gäbe (echt: die haben davor noch eine ganze WARTEHALLE), in der wir noch eine weitere Stunde ohne Toilette ausharren müßten, erreichten die lakonischen Bemerkungen der doch schon arg genervten Besucher ihren Höhepunkt. Und auf die Frage der Animateurin, ob wir sie noch lieb hätten, kam nicht mehr allzu viel Bestätigung zurück. Aber irgendwie war es witzig.
Um 12 Uhr durften wir dann endlich den ersten Pavillon betreten. Die ersten Räume waren auch noch recht beeindruckend. Das sich auf dem Wasser spiegelnde, an der Decke aufgehängte Paradies sah toll aus, und auch das Design der Phantasie-Welt war klasse. Doch im "21.Jahrundert" ging es dann mit der Qualität steil bergab. Zwar war das Design immer noch recht gut, aber einfach zu viel des Guten. Texte, die eigentlich informieren sollten, wurden hinter angestrahlten Vorhängen (!?) vollkommen unleserlich, und alle zweit Meter Bildschirme, die sich gegenseitig in der Lautstärke überboten, damit man im allgemeinen Trubel wenigstens etwas verstehen konnte, waren eindeutig zuviel. Statt übereifrige Designer hätte man hier eher Kommunikations-Spezialisten einstellen sollen. Die aufdringliche Nun-habt-euch-doch-alle-lieb-auf-der-Welt-Botschaft ging einem nach einiger Zeit nur noch auf den Geist. Hinzu kamen seltsame Skulpturen, die dem Besucher überhaupt nichts mehr sagten. Lediglich die Aufschriften "Siemens", "IBM", "Allianz" oder "Sparkasse" waren nicht zu übersehen. Dabei stellte sich mir die Frage, ob die hohen Eintrittspreise für eine Werbeveranstaltung gerechtfertigt sind.
Am Ende war der "Planet of Visions" die Wartezeit nicht wert gewesen, und das konnte man auch deutlich in den Gesichtern der anderen Besuchern ablesen. Der totale Designer-Medien-Overkill !


Deutschland-Pavillon
Fast schon hatten wir die Befürchtung, daß auch die restliche EXPO auf dieser naiv kitschigen Schiene fährt, und letztlich sollte sich dies auch bewahrheiten, aber zum Glück war es nicht überall so offensichtlich wie im "Planet of Visions". Der deutsche Pavillon war ein gutes Beispiel für eine gelungene Präsentation.
Die Wartezeit war auf den Videotafeln mit 30 Minuten angegeben, doch schon nach 10 Minuten befanden wir uns im Inneren. Generell läßt sich sagen, daß diese Halle auch mit die einzige ist, die für einen derartigen Besucheransturm überhaupt geeignet ist. Nach einem kleinen Rundgang durch ein riesiges Baugerüst, zwischen dem Gipsköpfe (teilweise mehrere Meter hoch) von berühmten Komponisten, Dichtern, Wissenschaftlern und Politikern ausgestellt waren, landete man in einem großen Saal. Drei Brücken führten hindurch, von denen aus man sich den Film anschauen konnte, der auf insgesamt neun großflächigen Leinwänden ablief. Jede zeigte eine andere Perspektive ein und desselben Motivs. Zusammen mit anderen Spielereien hatte man das Gefühl, sich mitten im Geschehen zu befinden.
Anschließend kam man zu dem berühmten Baum des Wissens. Er sieht aus wie ein überdimensioniertes Mobile mit Bildschirmen. Aber anderes als im "Planet of Visions" zeigten alle das Gleiche, wodurch man sich in Ruhe die Errungenschaften unseres Landes anschauen konnte (z.B. Buchdruck, VW Käfer, Teil der Mauer, Space-Lab) und gleichzeitig auf die Sendungen achten konnte.
Alles in allem eine gute und kompakte Vorstellung Deutschlands.


Afrika-Halle
Hier ist es nicht eine einzige Nation, die sich präsentiert, sondern fast der gesamte Kontinent. Technisch längst nicht so überfrachtet, aber gerade das ist es, was die Halle so empfehlenswert macht. Denn da an jeder Ecke jemand steht, der auf die Buschtrommel haut oder sonstwie Rhythmus produziert, bekommt die Atmosphäre ein richtig afrikanisches Flair - nicht zuletzt wegen der tollen Kulissen. Auch sonst scheinen die Leute hier viel lockerer zu sein, als auf dem Rest der EXPO. Zudem gibt es zahlreiche Verkaufsstände, die zum Flanieren einladen. Hier ist der Besucher aktiv dabei.



Österreich/Slowakei
Unser Flop der EXPO - und der krasse Gegensatz zur Afrika-Halle: Grau, kalt, metallisch.  Zwar gab es noch andere Länder in der Halle, aber die wollten wir uns nicht mehr antun. Nach dem Motto, wo eine Warteschlange, da gibt es auch was zu sehen, reihten wir uns zunächst bei Österreich ein. Oben angekommen begegnete uns eine weite, ausgepolsterte Fläche, wo die die Besucher sich anscheinend ausruhen sollten, was sie auch taten. Außer ein paar nichtssagende Videoprojektionen von Landschaften gab es aber nicht mehr zu sehen.
Ebenfalls wegen einer Warteschlange landeten wir dann in der eisernen Eingangsröhre des slowakischen Standes. Aber als dann ein vierminütiger Film über verschiedene Naturkatastrophen und diverse Kriege abgespult wurde, fühlten wir uns irgendwie verarscht. Und in der Ausstellung gab es nur ein paar abstrakte Figuren von unbekannten, slowakischen Künstlern. Über Land und Leute wußten wir danach genauso viel, wie vorher - nämlich nichts.


United Kingdom
Dieser Pavillon war zum Glück ganz anders. Designerisch einfallsreich gestalet, beschränkte er sich auf die wesentlichen Dinge: Neue Technologien (auch zum Mitmachen geeignet) und eine Ausstellung über Charles Darwin. (Zur Erinnerung: Das war der Typ, wo die Evolution erfunden hat.)
In einem weiteren Saal wurde alles behandelt, was als typisch englisch bekannt ist - zum Beispiel architektonische Meisterwerke oder James Bond. Auch der Film war locker und populär gehalten, so daß man gut unterhalten wurde. 


Schweden
Klein, aber fein! Und der Mut zur Selbstparodie, jedenfalls erinnerte die Ausstattung sehr an IKEA. Auch die Präsentation des Durchschnitts-Schweden war höchst originell (es war wirklich ein Durchschnitt!!!) Der Film war witzig erzählt und konnte sehr gute Eindrücke vom Land und seinen Einwohnern vermitteln. (Danach weiß man auch, wie viele Bands aus Schweden kommen - ABBA, Europe, Roxette, Ace of Base.) Außerdem gab es einige Spielereien zum Mitmachen; zum Beispiel ein Gerät, bei dem sich zwei Spieler im Entspannen messen konnten. Hierzu wurden die Gehirnströme erfaßt, die einen kleinen Ball steuerten, der von der Person mit der geringsten Hirntätigkeit wegrollte. (Da wäre ich sicherlich unschlagbar gewesen!)
An einem Terminal konnte man E-Mails mit Foto an Freunde verschicken.


Lettland
Hier sind wir aufgrund einer Videotafel gelandet, die uns einen Flugsimulator versprach. Den gab es zwar auch, aber es es wurden nur alle 15 Minuten lediglich 30 Personen hineingelassen. Nach den drei Stunden vor "Planet of Visions" wollten wir den Rest des Tages lieber mit Besichtigungen verbringen. Und da es sonst nicht viel über Lettland zu sehen gab, hatten wir diesen Pavillon bereits nach fünf Minuten abgehakt.


Irland
Auch dieser Pavillon war eher eine Enttäuschung. Anfangs noch mit typisch irischen Klängen empfangen, war nach ein paar Videowänden über die Landschaft plötzlich Schluß. Unversehens standen wir vor einem verschlossenen Ausgang - eine Sackgasse als einzige Attraktion im dritten Stock.


Themenpark Energie
Gegen 18 Uhr wagten wir uns dann endlich wieder an einen der Themenparks heran, und Gott sei dank waren alle frei zugänglich. (Außer "Planet of Visions" und "Planet M" - letzterer soll laut Meinung anderer lediglich eine große, kitschige Werbeveranstaltung von Bertelsmann sein!) Wir entschieden uns für "Energie", da ein Freund ihn uns empfohlen hatte. Und tatsächlich sollte sich hier das Eintrittsgeld wirklich lohnen. Gleich zu Beginn erwartete uns eine 20 Meter breite, gewölbte Leinwand, auf der das Sonnensystem und schließlich die Erde mit seinem Energieverbrauch erschien. Anschließend ging es in ein Kohlenbergwerk per simulierten Fahrstuhl, und aufgrund der tollen Kulissen fühlte man sich wirklich wie 2000 Meter unter der Erde. Direkt dahinter kamen dann noch andere Energieformen mit ebenso aufwendigen Spielereien. Aber das Tollste war mit Abstand ein großer, runder Kinosaal, der oben und unten komplett verspiegelt war. Wenn man nicht aufpaßte, konnte es einem schon ein wenig schwummerig werden - nichts für Leute mit Höhenangst.


Sri Lanka
Unterwegs warfen wir noch schnell einen Blick in diese Halle. Zwar verbreitete die Ausstattung ein recht indisches Flair, aber ansonsten war die Präsentation recht unspektakulär. Neben ein paar landestypischen Berufen und einem überteuerten Restaurant gab es nicht allzu viel zu sehen. Es war zum Durchschlendern aber trotzdem ganz nett .

TIP(P): Vor der Halle befindet sich ein asiatischer Imbiss, bei dem es für relativ wenig Geld eine gute Portion Essen gibt. Ich habe mir für 8 Mark eine Schale Pfannennudeln mit gebackenem Hühnerfleisch gegönnt - war echt lecker.



Australien
Nachdem man so viel Tolles während den olympischen Spielen vom Traumland Australien gesehen hat, waren wir froh, daß die kleine Warteschlange um 20 Uhr kaum der Rede wert war. Zwar gab es im Inneren des Pavillons keine großen Besonderheiten zu sehen, aber dennoch fanden wir ihn recht gelungen. Vor allem die derbe Anti-Raucher-Campagne, wo schon einmal ein Gehirn autopsiert wird, um das Blutgerinnsel zu zeigen, war ein echter Hingucker. Auch besann sich der Planer hier auf die ursprüngliche Funktion der EXPO, nämlich das Land zu präsentieren und gleichzeitig die Möglichkeit zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit zu geben. So kann man sich an drei Terminals kostenlos Informationen über Wirtschaft, Tourismus und Veranstaltungen bestellen - wahlweise per Post oder E-Mail. Auch einen Souvenirverkauf, den man in so manch anderer Halle vermißt hat, ist hier zu finden, zumal dieser über das durchschnittliche Angebot weit hinaus geht.
Vor der Halle ist ein kleiner Biergarten, wo man eine Flasche Bier (natürlich Fosters) für schlappe 3 DM bekommt.


Venezuela
Zum Abschluß des Tages statteten wir noch eben der südamerikanischen Region einen Besuch ab und erlebten die mit Abstand beste Länderpräsentation, die wir auf der EXPO gesehen haben. (Vielleicht gibt es noch andere, aber ein Tag ist einfach zu wenig.) Nicht nur, daß die Architektur mit dem blütenähnlichen Dach eine klasse Idee war, auch die Auswahl der Medien war nicht so überfrachtet und endlich einmal für eine große Menschenmenge konzipiert. Keine kleinen Texttafeln, sondern große, beleuchtete Transparente mit Bildern von Land und Leute. Aufgrund der verwinkelten Gänge bekam man nicht den Eindruck, als würde man bloß schnell hindurchgeschleust. Die größte Attraktion waren die Aquarien, von denen eines von einem Zitteraal bewohnt wurde. Eine Vielzahl an einheimischen Pflanzen rundete das Bild von Venezuela perfekt ab, so daß man am Ausgang wirklich den Eindruck hatte, etwas gelernt zu haben. Hätten sich doch auch die anderen Länder solche Gedanken gemacht.

Wie gesagt, am Ende hat sich das Geld doch gelohnt, aber nur, weil man nach dem verpatzten Start der EXPO die Preise etwas volksnäher gestaltet hat. Trotzdem dürfte niemand aus dem Management jemals wieder einen derartigen Job bekommen, denn so oder so wäre die EXPO ein Debakel geworden. Denn wäre die erwartete Besucherzahl tatsächlich gekommen, hätte man auf dem Gelände nicht mal mehr einen Fuß vor den anderen bekommen, geschweige denn nur einen einzigen Themenpark zu Gesicht bekommen.
Zum Glück war die erste Werbekampagne vollkommen unmenschlich und weltfremd gestaltet, so daß keiner genau wußte, was die EXPO eigentlich ist und daher lieber zuhause blieb. Das Defizit von sage und schreibe 2,4 MILLIARDEN DM ist die Kehrseite der Medaille. So muß nun doch jeder Steuerzahler für die EXPO bezahlen.

Alles in allem sind die Pavillons zwar durchaus gelungen, und der Aufwand an Technik und Ausstattung ist oft höchst beeindruckend, aber der Qualitätsunterschied zwischen den einzelnen Ländern ist zum Teil wirklich erschreckend. Zudem gibt es viel zu viel abstrakte Kunst zu sehen, bei der man nur noch den Kopf schütteln kann - mit den Worten des Heimwerker-Kings ausgedrückt: Das ist intellektueller Mist!
Anscheinend hat man den Planern vergessen zu sagen, daß die EXPO eine Massenveranstaltung sein soll. Weder die Pavillons, noch deren Ausstattung sind wirklich dafür konzipiert worden.
Nun könnte man wenigstens hoffen, daß die EXPO eine gute Werbung für Deutschland war (da wären es die Milliarden noch wert gewesen), doch von ausländischen Besuchern haben wir kaum etwas gesehen. Selbst ein Bayer war schon eine Seltenheit. Wenn das Marketing in anderen Ländern genauso schlecht war wie hier, ist das auch kein Wunder. Selbst die Bahn hatte die Chance, mit preiswerten Sonderzügen ihre Vorzüge populär machen zu können, doch statt dessen wollte man mit ungerechtfertigten Konditionen eine schnelle Mark machen. Zum Glück ging auch dieser Schuß nach hinten los.

Doch trotz aller Fehlplanung - wenn Ihr die Möglichkeit bekommt, günstig zur EXPO zur kommen, nutzt sie! So etwas bekommt man nicht alle Tage zu sehen.


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