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Am Dienstag (10.10.2000)
war auch ich nun endlich auf der EXPO.
Schon lange hatte
ich es mir vorgenommen, aber irgendwie immer wieder rausgeschoben.
Nicht nur, daß
mir die Preise einfach zu hoch waren, sondern die Ausstellung an sich reizte
mich
nicht sonderlich.
Aber jetzt, wo ich mir mit 200.000 anderen Besuchern die Beine in den Bauch
gestanden und
bis zum Abend vielleicht 20% gesehen habe, muß ich zugeben, daß
sich das
Geld doch gelohnt
hat. (49DM - Studententarif). Doch längst nicht alles war toll, und
man merkt
schnell, daß
die EXPO eigentlich eine krasse Fehlplanung ist.
Ich weiß
- jetzt wo die EXPO fast zu Ende ist, kommen Tips recht spät,
aber vielleicht
können ja doch noch einige davon profitieren.
Mein
EXPO-TAGEBUCH:
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-------TOLL---------ganz
nett-----entäuschend
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Abfahrt
6:00 Uhr
Die Frage, ob man
mit dem Zug oder mit dem Auto von Rheine nach Hannover fährt, hat
sich schnell erledigt. Da die Bahn ihre Preise zur EXPO nicht verringert
hat und für Sonderzüge (die von Rheine aus gar nicht fahren,
obwohl es eine direkte Verbindung zum Messebahnhof gibt) kräftige
Zuschläge verlangt, fiel die Wahl schnell aufs eigene Auto. (Danke
Stephan!)
Staus gab es so
früh noch keine, und der Berufsverkehr in Hannover hatte kaum Auswirkungen
auf eine schnelle
Fahrt. Und so hatten wir bereits gegen 8:15 Uhr einen erstklassigen,
jetzt
kostenlosen Parkplatz im Parkhaus 4 direkt am Eingang Nord. Auch an
den Kassen und am Eingang mußten wir kaum in der Schlange stehen,
da wir ungefähr eine halbe Stunde zu früh dort waren. (Einlaß
ist um 9:00 Uhr)
Planet
of Visions
Gleich
nach dem Einlaß liefen wir zum "Planet of Visions", dem angeblich
tollsten Themen-Park der EXPO. Doch das Tollste daran war die gigantische
Warteschlange von 3 Stunden. Schnell entwickelte die Menschenmasse eine
eigene Art von Entertainment - sarkastische und ironische Witze am laufenden
Band, und der vor Wut schäumende Hesse war auch cool. "Selbst ein
billiger Metzger kann seine Kunden organisieren..." Vor allem als uns eine
arme Studentin im EXPO-Outfit gegen 11 Uhr
verkündete, daß es eine Wartehalle gäbe (echt: die haben
davor noch eine ganze WARTEHALLE), in der wir noch eine weitere Stunde
ohne Toilette ausharren müßten, erreichten die lakonischen Bemerkungen
der doch schon arg genervten Besucher ihren Höhepunkt. Und auf die
Frage der Animateurin, ob wir sie noch lieb hätten, kam nicht mehr
allzu viel Bestätigung zurück. Aber irgendwie war es witzig.
Um 12 Uhr durften
wir dann endlich den ersten Pavillon betreten. Die ersten Räume waren
auch noch recht beeindruckend. Das sich auf dem Wasser spiegelnde, an der
Decke aufgehängte Paradies sah toll aus, und auch
das Design der Phantasie-Welt war klasse. Doch im "21.Jahrundert" ging
es dann mit der Qualität steil bergab. Zwar war das Design immer noch
recht gut, aber einfach zu viel des Guten. Texte, die eigentlich informieren
sollten, wurden hinter angestrahlten Vorhängen (!?) vollkommen unleserlich,
und alle zweit Meter Bildschirme, die sich gegenseitig in der Lautstärke
überboten, damit man im allgemeinen Trubel wenigstens etwas verstehen
konnte, waren eindeutig zuviel. Statt übereifrige Designer hätte
man hier eher Kommunikations-Spezialisten einstellen sollen. Die aufdringliche
Nun-habt-euch-doch-alle-lieb-auf-der-Welt-Botschaft
ging einem nach einiger Zeit nur noch auf den Geist. Hinzu kamen seltsame
Skulpturen, die dem Besucher überhaupt nichts mehr sagten. Lediglich
die Aufschriften "Siemens", "IBM", "Allianz" oder "Sparkasse" waren nicht
zu übersehen.
Dabei stellte sich mir die Frage, ob die hohen Eintrittspreise für
eine Werbeveranstaltung gerechtfertigt sind.
Am Ende war der
"Planet of Visions" die Wartezeit nicht wert gewesen, und das konnte man
auch deutlich in den Gesichtern der anderen Besuchern ablesen. Der totale
Designer-Medien-Overkill !
Deutschland-Pavillon
Fast schon hatten
wir die Befürchtung, daß auch die restliche EXPO auf dieser
naiv kitschigen Schiene fährt, und letztlich sollte sich dies auch
bewahrheiten, aber zum Glück war es nicht überall so offensichtlich
wie im "Planet of Visions". Der
deutsche Pavillon war ein gutes Beispiel für eine gelungene Präsentation.
Die Wartezeit war
auf den Videotafeln mit 30 Minuten angegeben, doch schon nach 10 Minuten
befanden wir uns im Inneren. Generell läßt sich sagen, daß
diese Halle auch mit die einzige ist, die für einen derartigen Besucheransturm
überhaupt geeignet ist. Nach einem kleinen Rundgang durch ein riesiges
Baugerüst, zwischen dem Gipsköpfe (teilweise mehrere Meter hoch)
von berühmten Komponisten, Dichtern, Wissenschaftlern und Politikern
ausgestellt waren, landete man in einem großen Saal. Drei Brücken
führten hindurch, von denen aus man sich den Film anschauen konnte,
der auf insgesamt neun großflächigen Leinwänden ablief.
Jede zeigte eine andere Perspektive ein und desselben Motivs. Zusammen
mit anderen Spielereien hatte man das Gefühl, sich mitten im Geschehen
zu befinden.
Anschließend
kam man zu dem berühmten Baum des Wissens. Er sieht aus wie ein überdimensioniertes
Mobile mit Bildschirmen. Aber anderes als im "Planet of Visions" zeigten
alle das Gleiche, wodurch man sich
in Ruhe die Errungenschaften unseres Landes anschauen konnte (z.B. Buchdruck,
VW Käfer, Teil der Mauer, Space-Lab) und gleichzeitig auf die Sendungen
achten konnte.
Alles in allem eine
gute und kompakte Vorstellung Deutschlands.
Afrika-Halle
Hier
ist es nicht eine einzige Nation, die sich präsentiert, sondern fast
der gesamte Kontinent. Technisch längst nicht so überfrachtet,
aber gerade das ist es, was die Halle so empfehlenswert macht. Denn da
an jeder Ecke jemand steht, der auf die Buschtrommel haut oder sonstwie
Rhythmus produziert, bekommt die Atmosphäre ein richtig afrikanisches
Flair - nicht zuletzt wegen der tollen Kulissen. Auch sonst scheinen die
Leute hier viel lockerer zu sein, als auf dem Rest der EXPO. Zudem gibt
es zahlreiche Verkaufsstände, die zum Flanieren einladen. Hier ist
der Besucher aktiv dabei.
Österreich/Slowakei
Unser Flop der EXPO
- und der krasse Gegensatz zur Afrika-Halle: Grau, kalt, metallisch.
Zwar gab es noch andere Länder in der Halle, aber die wollten wir
uns nicht mehr antun. Nach dem Motto, wo eine Warteschlange, da gibt es
auch was zu sehen, reihten wir uns zunächst bei Österreich ein.
Oben angekommen begegnete uns eine weite, ausgepolsterte Fläche, wo
die die Besucher sich anscheinend ausruhen sollten, was sie auch taten.
Außer ein paar nichtssagende Videoprojektionen von Landschaften gab
es aber nicht mehr zu sehen.
Ebenfalls wegen
einer Warteschlange landeten wir dann in der eisernen Eingangsröhre
des slowakischen Standes. Aber als dann ein vierminütiger Film über
verschiedene Naturkatastrophen und diverse Kriege abgespult wurde, fühlten
wir uns irgendwie verarscht. Und in der Ausstellung gab es nur ein paar
abstrakte Figuren von unbekannten, slowakischen Künstlern. Über
Land und Leute wußten wir danach genauso viel, wie vorher - nämlich
nichts.
United
Kingdom
Dieser
Pavillon war zum Glück ganz anders. Designerisch einfallsreich gestalet,
beschränkte er sich auf die wesentlichen Dinge: Neue Technologien
(auch zum Mitmachen geeignet) und eine Ausstellung über Charles Darwin.
(Zur Erinnerung: Das war der Typ, wo die Evolution erfunden hat.)
In
einem weiteren Saal wurde alles behandelt, was als typisch englisch bekannt
ist - zum Beispiel architektonische Meisterwerke oder James Bond. Auch
der Film war locker und populär gehalten, so daß man gut unterhalten
wurde.
Schweden
Klein, aber fein!
Und der Mut zur Selbstparodie, jedenfalls erinnerte die Ausstattung sehr
an IKEA. Auch die Präsentation des Durchschnitts-Schweden war höchst
originell (es war wirklich ein Durchschnitt!!!) Der Film war witzig erzählt
und konnte sehr gute Eindrücke vom Land und seinen Einwohnern vermitteln.
(Danach weiß man auch, wie viele Bands aus Schweden kommen - ABBA,
Europe, Roxette, Ace of Base.) Außerdem gab es einige Spielereien
zum Mitmachen; zum Beispiel ein Gerät, bei dem sich zwei Spieler im
Entspannen messen
konnten. Hierzu wurden die Gehirnströme erfaßt, die einen kleinen
Ball steuerten, der von der Person mit der geringsten Hirntätigkeit
wegrollte. (Da wäre ich sicherlich unschlagbar gewesen!)
An einem Terminal
konnte man E-Mails mit Foto an Freunde verschicken.
Lettland
Hier sind wir aufgrund
einer Videotafel gelandet, die uns einen Flugsimulator versprach. Den gab
es zwar auch,
aber es es wurden nur alle 15 Minuten lediglich 30 Personen hineingelassen.
Nach den drei Stunden vor "Planet of Visions" wollten wir den Rest des
Tages lieber mit Besichtigungen verbringen. Und da es sonst nicht viel
über Lettland zu sehen gab, hatten wir diesen Pavillon bereits nach
fünf Minuten abgehakt.
Irland
Auch
dieser Pavillon war eher eine Enttäuschung. Anfangs noch mit typisch
irischen Klängen empfangen, war nach ein paar Videowänden über
die Landschaft plötzlich Schluß. Unversehens standen wir vor
einem verschlossenen Ausgang - eine Sackgasse als einzige Attraktion im
dritten Stock.
Themenpark
Energie
Gegen 18 Uhr wagten
wir uns dann endlich wieder an einen der Themenparks heran, und Gott sei
dank waren alle frei zugänglich. (Außer "Planet of Visions"
und "Planet M" - letzterer soll laut Meinung anderer lediglich eine große,
kitschige Werbeveranstaltung von Bertelsmann sein!) Wir entschieden uns
für "Energie", da ein Freund ihn uns empfohlen hatte. Und tatsächlich
sollte sich hier das Eintrittsgeld wirklich lohnen. Gleich zu Beginn erwartete
uns eine 20 Meter breite, gewölbte Leinwand, auf der das Sonnensystem
und schließlich die Erde mit seinem Energieverbrauch erschien. Anschließend
ging es in ein Kohlenbergwerk per simulierten Fahrstuhl, und aufgrund der
tollen Kulissen fühlte man sich wirklich wie 2000 Meter unter der
Erde. Direkt dahinter kamen
dann noch andere Energieformen mit ebenso aufwendigen Spielereien. Aber
das Tollste war mit Abstand ein großer, runder Kinosaal, der oben
und unten komplett verspiegelt war. Wenn man nicht aufpaßte, konnte
es einem schon ein wenig schwummerig werden - nichts für Leute mit
Höhenangst.
Sri
Lanka
Unterwegs warfen
wir noch schnell einen Blick in diese Halle. Zwar verbreitete die Ausstattung
ein recht indisches Flair, aber ansonsten war die Präsentation recht
unspektakulär. Neben ein paar landestypischen Berufen und einem überteuerten
Restaurant gab es nicht allzu viel zu sehen. Es war zum Durchschlendern
aber trotzdem ganz nett .
TIP(P): Vor der Halle
befindet sich ein asiatischer Imbiss, bei dem es für relativ wenig
Geld eine gute Portion Essen gibt. Ich habe mir für 8 Mark eine Schale
Pfannennudeln mit gebackenem Hühnerfleisch gegönnt - war echt
lecker.
Australien
Nachdem man so viel
Tolles während den olympischen Spielen vom Traumland Australien gesehen
hat, waren wir froh, daß die kleine Warteschlange um 20 Uhr kaum
der Rede wert war. Zwar gab es im Inneren des Pavillons keine großen
Besonderheiten zu sehen, aber dennoch fanden wir ihn recht gelungen. Vor
allem die derbe Anti-Raucher-Campagne, wo schon einmal ein Gehirn autopsiert
wird, um das Blutgerinnsel zu zeigen, war ein echter Hingucker. Auch besann
sich der Planer hier auf die ursprüngliche Funktion der EXPO, nämlich
das Land zu präsentieren und gleichzeitig die Möglichkeit zur
wirtschaftlichen Zusammenarbeit zu geben. So kann man sich an drei Terminals
kostenlos Informationen über Wirtschaft, Tourismus und Veranstaltungen
bestellen - wahlweise per Post oder E-Mail. Auch
einen Souvenirverkauf, den man in so manch anderer Halle vermißt
hat, ist hier zu finden, zumal dieser über das durchschnittliche Angebot
weit hinaus geht.
Vor der Halle ist
ein kleiner Biergarten, wo man eine Flasche Bier (natürlich Fosters)
für schlappe 3 DM bekommt.
Venezuela
Zum Abschluß
des Tages statteten wir noch eben der südamerikanischen Region einen
Besuch ab und erlebten die mit Abstand beste Länderpräsentation,
die wir auf der EXPO gesehen haben. (Vielleicht gibt es noch andere, aber
ein Tag ist einfach zu wenig.) Nicht nur, daß die Architektur mit
dem blütenähnlichen Dach eine klasse Idee war, auch die Auswahl
der Medien war nicht so überfrachtet und endlich einmal für eine
große Menschenmenge konzipiert. Keine kleinen Texttafeln, sondern
große, beleuchtete Transparente mit Bildern von Land und Leute. Aufgrund
der verwinkelten Gänge bekam man nicht den Eindruck, als würde
man bloß schnell hindurchgeschleust. Die größte Attraktion
waren die Aquarien, von denen eines von einem  Zitteraal
bewohnt wurde. Eine Vielzahl an einheimischen Pflanzen rundete das Bild
von Venezuela perfekt ab, so daß man am Ausgang wirklich den Eindruck
hatte, etwas gelernt zu haben. Hätten sich doch auch die anderen Länder
solche Gedanken gemacht.
Wie gesagt, am
Ende hat sich das Geld doch gelohnt, aber nur, weil man nach dem verpatzten
Start der EXPO die Preise etwas volksnäher gestaltet hat. Trotzdem
dürfte niemand aus dem Management jemals wieder einen derartigen Job
bekommen, denn so oder so wäre die EXPO ein Debakel geworden. Denn
wäre die erwartete Besucherzahl tatsächlich gekommen, hätte
man auf dem Gelände nicht mal mehr einen Fuß vor den anderen
bekommen, geschweige denn nur einen einzigen Themenpark zu Gesicht bekommen.
Zum Glück
war die erste Werbekampagne vollkommen unmenschlich und weltfremd gestaltet,
so daß keiner genau wußte, was die EXPO eigentlich ist und
daher lieber zuhause blieb. Das Defizit von sage und schreibe 2,4 MILLIARDEN
DM ist die Kehrseite der Medaille. So muß nun doch jeder Steuerzahler
für die EXPO bezahlen.
Alles
in allem sind die Pavillons zwar durchaus gelungen, und der Aufwand an
Technik und Ausstattung ist oft höchst beeindruckend, aber der Qualitätsunterschied
zwischen den einzelnen Ländern ist zum Teil wirklich erschreckend.
Zudem gibt es viel zu viel abstrakte Kunst zu sehen, bei der man nur noch
den Kopf schütteln kann - mit den Worten des Heimwerker-Kings ausgedrückt:
Das ist intellektueller Mist!
Anscheinend hat
man den Planern vergessen zu sagen, daß die EXPO eine Massenveranstaltung
sein soll. Weder die Pavillons, noch deren Ausstattung sind wirklich dafür
konzipiert worden.
Nun könnte
man wenigstens hoffen, daß die EXPO eine gute Werbung für Deutschland
war (da wären es die Milliarden noch wert gewesen), doch von ausländischen
Besuchern haben wir kaum etwas gesehen. Selbst ein Bayer war schon eine
Seltenheit. Wenn das Marketing in anderen Ländern genauso schlecht
war wie hier, ist das auch kein Wunder. Selbst die Bahn hatte die Chance,
mit preiswerten Sonderzügen ihre Vorzüge populär machen
zu können, doch statt dessen wollte man mit ungerechtfertigten Konditionen
eine schnelle Mark machen. Zum Glück ging auch dieser Schuß
nach hinten los.
Doch
trotz aller Fehlplanung - wenn Ihr die Möglichkeit bekommt, günstig
zur EXPO zur kommen, nutzt sie! So etwas bekommt man nicht alle Tage zu
sehen.
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